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Der folgende Texte stammt aus der Feder Tomás Borges, der den Kampf der nicaraguanischen Sandinisten gegen die Somoza-Diktatur beschreibt. Auch wenn seine Beschreibungen Ereignisse der 70er Jahre dieses Jahrhunderts betreffen, kann man davon ausgehen, dass es den Expeditionen zu Beginn des 16. Jahrhunderts vermutlich nicht anders ergangen ist.

Fast alle Männer hatten jetzt schon die Leishmaniase, die Berglepra. Diese Krankheit, auch Espundia genannt, das Geschwür des Kautschuksammlers, wird von einem Parasiten hervorgerufen, dem Leishmania brasiliensis. Er taucht fast nie in städtischer Umgebung auf und kaum in besiedelten ländlichen Gebieten, wohl aber häufig in bewaldeten Bergzonen, wo es von Stechmücken wimmelte, die alles, was unbedeckt ist, überfallen. Im winzigen Darm der Stechmücke entwickelt sich die Mikrobe. Wenn das Insekt sticht, überträgt es den Erreger direkt.
Ich kann mich nicht erinnern, jemals Moskitos oder Sumo-Indianer getroffen zu haben, die an Leishmaniase litten. Es scheint, als hätten Stechmücken und Leishmania-Parasiten eine besondere Vorliebe für aus der Stadt stammende Guerilleros. Die Wunden bedecken Hautflächen und Schleimhäute; das Geschwür wächst, das Loch in der Haut sieht aus wie eine Brackwasserlagune, eine kleine Kloake.

Wenn die sichtbaren Wunden geheilt sind, können sie gleichwohl nach einigen Jahren im Inneren der Nase oder in der Kehle wieder auftreten und sind dann tatsächlich tödlich.
Einige der Guerilleros bekamen die Krankheit an den unmöglichsten Stellen: auf einer Hinterbacke, im Gesicht. Mich befiel sie am rechten Ellenbogen. Es gibt keine Schutzimpfung - so erklärte uns einmal Francisco Butrago, der ein paar Jahre Medizin studiert hatte -, weder gegen die Leishmaniase noch gegen die Neigung zur Guerilla. Wir trugen es mit Fassung.

aus: Thomas Borge, Mit rastloser Geduld