Baumwolle
Die Baumwollfaser, die später
"Weißes Gold" oder "King Cotton" genannt wurde, brauchte
lange Zeit, um zu einer der wichtigsten Ausgangsmaterialien in der Textilherstellung
zu werden. Ursprünglich kam Baumwolle ausschließlich aus dem Nahen
Osten nach Europa, und ihre Verarbeitung zu Tuchen war immens aufwendig.
Die Samenkapseln der Pflanze, die die brauchbaren Haare produzieren, werden
während einer Erntezeit von etwa 100 Tagen gepflückt, da gleichzeitig
Knospen, Blüten und Früchte ausgebildet werden. Zum Ernten von 100
Pfund Samenkapseln werden 2 Tage gebraucht. Damit ist die Faser aber noch nicht
zur Weiterverarbeitung bereit, da die Kapseln noch entkernt und gesäubert
werden müssen. Diese Arbeit dauert weitere 70 Tage und erbringt je nach
Baumwollsorte zwischen 2 und 11 Pfund Baumwolle. Diese müssen während
weiteren 30 Tagen versponnen werden. Das Verspinnen ist sehr viel zeitaufwendiger
als bei Wolle oder Flachs, da die Fasern der Baumwolle kürzer sind. Tatsächlich
fiel zunächst ein Teil der zu kurzen Fasern als Ausschuss ab. Je nach Art
des Stoffes, der produziert werden sollte, gingen weitere 5 bis 40 Tage ins
Land, bis die Baumwolle verwoben war.
So
ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Farmer auf den Anbau lukrativerer
Pflanzen verlegten und die Textilherstellung der Wolle und dem Flachs überließen.
Vor Ende des 18. Jahrhunderts betrug der Anteil der Baumwolle als Textilrohstoff
nur etwa 5%, gegenüber der Wolle mit fast 80%, und dem Flachs mit 15%.
Dies alles änderte sich rapide, als in England 1764 die erste einer Reihe
immer besserer Spinnmaschinen erfunden wurde. Damit konnte zunächst die
Herstellung des Baumwollgarns, die immerhin mehr als zwei Drittel der Produktionszeit
ausmachte, auf einige Stunden reduziert werden.
Als schließlich 1792 von Ely Withney die Engrenierungsmaschine erfunden
wurde, die anstatt 50 Pfund Baumwolle am Tag bis zu 3.000 Pfund Baumwolle täglich
entkernte, war der Boom der Baumwolle da.
Überall in den klimatisch günstigen Kolonien wurden Baumwollplantagen
angelegt, vor allem in der Karibik und im Südosten Nordamerikas. Insbesondere
zuerst in Georgia und dann South Carolina, Alabama, Mississippi, Louisiane und
Texas entstanden riesige Plantagen der sogenannten Baumwollbarone, die in wenigen
Jahren ungeheure Reichtümer ansammelten.
Binnen 100 Jahren stieg der Anteil der Baumwolle als Textilrohstoff auf drei
Viertel, die Wolle behielt noch knapp ein Viertel und der Flachs sank fast ganz
zur Bedeutungslosigkeit herab. Erst mit dem Aufkommen der Petrochemie und der
Herstellung der verschiedensten Fasern aus Erdöl verlor die Baumwolle gut
die Hälfte des Marktanteils.
Der Preis der fertigen Baumwollstoffe sank in der gleichen Zeit auf etwa ein
Hundertstel.
Obwohl Entkernen, Spinnen und später auch das Weben durch Maschinen erledigt
wurde, blieb immer noch die mühselige, zeitaufwendige Arbeit des Pflückens.
Hierfür, sowie für das Anlegen der ständig wachsenden Baumwollplantagen,
wurden unzählige Sklaven aus Afrika gebraucht.
Etwa 100 Jahre nach Beginn des Baumwoll-Booms lebten allein in den Südstaaten
der USA um die 4,5 Millionen schwarze Sklaven aus Westafrika, die bis zu 18
Stunden täglich auf den Plantagen arbeiten mussten.
Zusätzlich zu den Gewinnen, die sich aus der Produktion des Baumwollstoffes
ergaben, und der Notwendigkeit, für die Anpflanzung und Ernte der Baumwolle
afrikanische Sklaven zu importieren, ergab sich noch ein weiteres Geschäft.
Der Kapitän John Hawkins war 1572 einer der ersten gewesen, der mit seinen
Schiffen den Sklavenhandel organisiert hatte. Nun entstand daraus der sogenannte
"Dreieckshandel" als kontinuierliche Einkommensquelle.
Während in den Jahren zuvor die Schiffe der Handelsgesellschaften das eingeladen
hatten, was gerade verkauft wurde, fuhren die Schiffe nun mit Sklaven von Westafrika
nach Amerika, verkauften die Sklaven und kauften Baumwolle, segelten weiter
zu den neuen Spinnereien und Webereien in England und verkauften die Baumwolle.
Für den Gewinn wurden fertige Stoffe und Waffen eingekauft, die am Ende
der nächsten Reise nach Afrika auch wieder mit Gewinn verkauft wurden.
Die Waffen gingen an die afrikanischen und arabischen Sklavenhändler. Mit
dem Gewinn aus diesen Verkäufen wurden noch mehr Sklaven gekauft, die von
den expandierenden Baumwollbaronen abgenommen wurden. Ein Geschäft, bei
dem man so gut wie keine Verluste machen konnte.
Da fiel es auch kaum ins Gewicht, dass zwischen 50-60% der Sklaven auf dem Transport
verhungerten oder an Seuchen starben.
Bildquelle: http://members.tripod.com/harald-jacob/index.htm