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1714, OURO PRFTO
Der Grubenarzt
Dieser Arzt glaubt weder
an Drogen noch an die sündhaft teuren Pülverchen aus Portugal. Er
misstraut Aderlässen und Klistieren und hält nicht viel von Altvater
Galenus und seinen Gesetzestafeln. Luis Gomes Ferreira rät seinen Patienten
zu einem täglichen Bad - was in Europa ein eindeutiger Hinweis auf Ketzerei
oder Irrsinn wäre - und verordnet ihnen im Land wachsende Kräuter
und Wurzeln. So manches Menschenleben hat Doktor Ferreira so gerettet - mit
gesundem Menschenverstand, mit uraltem Indianerwissen und mit Moça Branca,
dem weiches Mädchen genannten Zuckerrohrschnaps, der selbst Tote wieder
auferweckt.
Nur gegen die Angewohnheit der Bergleute, sich gegenseitig über den Haufen
zu schießen und den Bauch aufzuschlitzen, kann Ferreira nicht viel ausrichten.
Glück und Reichtum sind hierzulande von kurzer Dauer, List gilt mehr als
Tüchtigkeit. Kein Fachwissen hilft in dem gnadenlosen Krieg um den Besitz
des schwarzen Drecks, der Sonnen birgt. Der königliche Schatzmeister, Hauptmann
Tomas de Souza, wollte Gold und handelte sich Blei ein. Der Arzt konnte nur
noch das Kreuz über ihm schlagen. Alle glaubten, der Hauptmann hätte
das Gold tonnenweise gehortet, aber die Gläubiger fanden nur ein paar Sklaven
zum Aufteilen.
Selten behandelt der Arzt einen Kranken, wenn er schwarz ist. In Brasiliens
Bergwerken sind Sklaven Wegwerfartikel. Vergeblich rät Doktor Ferreira
den Sklavenhaltern zu pfleglicher Behandlung, andernfalls frevelten sie an Gott
und ihren eigenen Interessen. An den Goldwaschplätzen und in den Gruben
hält kein Neger mehr als zehn Jahre durch. Aber für eine Handvoll
Gold bekommt man ja einen neuen Jungen, und der ist so viel wert wie eine Handvoll
Salz oder ein ganzes Schwein.
aus: Eduardo Galeano, Erinnerung
an das Feuer