Gold
Im Laufe des 18. Jahrhunderts
übertraf die brasilianische Produktion des begehrten Erzes die Gesamtmenge
an Gold, die Spanien während der zwei vorangegangenen Jahrhunderte aus
seinen Kolonien ausgeführt hatte. Abenteurer und Glücksjäger
überfluteten das Land. Brasilien hatte 1700 300 000 Einwohner; ein Jahrhundert
später, nach den goldenen Jahre, hatte sich die Bevölkerung verdreifacht.
Nicht weniger als 200 000 Portugiesen wanderten im 18. Jahrhundert nach Brasilien
aus, "eine größere Bevölkerungsmasse (...) als die, die
Spanien für seine gesamten Kolonien in Amerika beigesteuert hatte".
Die Gesamtzahl der aus Afrika von der Eroberung Brasiliens an bis zur Abschaffung
der Sklaverei eingeführten Negersklaven wird auf zehn Millionen geschätzt.
Salvador de Bahia war die brasilianische Hauptstadt in der Blütezeit des
Zuckers im Nordosten, aber "das goldene Zeitalter" von Minas Gerais
verschob die wirtschaftliche und politische Achse des Landes nach dem Süden
und machte von 1763 an Rio de Janeiro, den Hafen dieser Region, zur neuen Hauptstadt
Brasiliens. In dem dynamischen Mittelpunkt der neuentstandenen Minenwirtschaft
wuchsen die Städte aus dem Boden - dem Boom entsprungene und im Taumel
des leicht erworbenen Reichtums rasch entstandene Lagerplätze, "Weihestätten
für Verbrecher, Vagabunden und Übeltäter" - nach den höflichen
Worten eines Kolonialfunktionärs aus dieser Zeit. Villa Rica de Ouro Preto
hatte 1711 die Kategorie einer Stadt erreicht; aus der Lawine der Bergleute
hervorgegangen, stellte sie die Quintessenz der Zivilisation des Goldes dar.
Simao Ferreira Macbado hat sie 23 Jahre später beschrieben und dabei gesagt,
dass die Macht der Kaufleute von Ouro Preto die der erfolgreichsten Handelsherren
von Lissabon bei weitem übertraf: "Hierher werden, wie in einen Hafen,
die grandiosen Goldmassen aller Minen geleitet und im königlichen Münzhause
übernommen. Hier leben die bestkultivierten Männer, Weltleute wie
Geistliche. Dies ist der Sitz des ganzen Adels und die Machtquelle des Militärs.
Dies ist dank seiner natürlichen Lage das Haupt ganz Amerikas; und durch
den machtvollen Schimmer seiner Reichtümer ist es die köstliche Perle
Brasiliens." Ein anderer Schriftsteller dieser Epoche, Francisco Tavares
de Brito, kennzeichnete 1732 Ouro Preto als "Das Potosí des Goldes".
Häufig gelangten nach Lissabon Klagen und Einsprüche ob des sündhaften
Lebenswandels in Ouro Preto, Sabará, Sáo Joáo del Rei,
Ribeiräo do Carmo und dem ganzen turbulenten Minendistrikt. Die Vermögen
entstanden und verschwanden im Handumdrehen. Pater Antonil erhob die Anklage,
dass Minenbesitzer in Mengen vorhanden waren, die bereit waren, für einen
Neger, der gut Trompete blasen konnte, ein Vermögen zu bezahlen, und das
Doppelte für eine Mulattendirne, "um mit ihr ständige und skandalöse
Sünden zu begehen", aber die Männer in der Soutane betrugen sich
nicht besser. 1705, so behauptete man, gab es in ganz Minas Gerais keinen einzigen
Priester, der sich für die Verbreitung des christlichen Glaubens im Volke
interessiert hätte, und sechs Jahre später ging die Krone so weit,
die Niederlassung jedweden religiösen Ordens im Minendistrikt zu untersagen.
aus: Eduardo Galeano, Die
offenen Adern Lateinamerikas