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1753, SIERRA-LEONE-STROM

Lobsinget dem Herrn

Gott offenbarte sich unter Blitzezucken. Kapitän John Newton bekehrte sich zum Christentum, nachdem ein plötzliches Unwetter in einer ansonsten durchsoffenen und durchfluchten Nacht sein Schiff um ein Haar in den Grund gebohrt hätte. Seitdem ist Newton ein Auserwählter Gottes. Allabendlich predigt er. Vor jeder Mahlzeit betet er, und jeden Tag beginnt er mit dem Absingen von Psalmen, die seine Mannschaft heiser nachröhrt. Am Ende jeder Fahrt zahlt er in Liverpool dem Allerhöchsten eine Messe zur ganz besonderen Danksagung.
Während er an der Sierra-Leone-Mündung auf eine Schiffsladung wartet, verscheucht er Ängste und Moskitos und betet zu Gott, dass er seine Hand über das Schiff African und seine Besatzung hält und dafür sorgt, dass die Fracht, die sie bald an Bord nehmen werden, auch heil in Jamaika ankommt.
Kapitän Newton ist wie zahllose Berufskollegen im Dreieckshandel zwischen England, Afrika und den Antillen tätig. In Liverpool laden sie Tuch und Schnaps, Gewehre und Messer, und an der afrikanischen Küste tauschen sie die Ware gegen Männer, Frauen und Kinder ein. Dort nehmen die Schiffe Kurs auf die karibischen Inseln, wo sie die Sklaven gegen Zucker, Sirup, Baumwolle und Tabak eintauschen. Und diese Rohprodukte bringen sie dann wieder nach Liverpool, auf dass der Kreislauf von vorn beginnt.
In seinen freien Stunden bereichert der Kapitän mit der Komposition von Chorälen die heilige Liturgie. Heute abend allein in seiner Kajüte, beginnt er einen neuen Choral und wartet dabei auf den Sklavenkonvoi, der sich verspätet hat, weil ein paar Neger sich unterwegs mit Schlammfressen umbringen wollten. Den Titel hat er schon. Der Choral soll Wie süß klingt Jesu Name heißen. Die ersten Verse entstehen, und der Kapitän summt mögliche Melodien unter der wissend schaukelnden Lampe.

aus: Eduardo Galeano, Erinnerung an das Feuer