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Kartoffel

In den südamerikanischen Anden wurde die Kartoffel bereits in der Zeit von 8000 bis 5000 v.Chr. von der indianischen Urbevölkerung gegessen, und ab etwa 1000 v.Chr. kultiviert.
Wichtig für die Ernährung wurde sie allerdings erst, als die Inkas die Anden eroberten und durch die Entwicklung von Bewässerungssystemen auch für die Landwirtschaft bisher unbrauchbare Flächen genutzt werden konnten. Auf diesen bewässerten Feldern konnten im großen Maßstab Kartoffeln angebaut werden.
Außerdem entwickelten die Inkas durch die Trocknung der Kartoffel ein "Chuno" genanntes Nahrungsmittel, das jahrelang gelagert werden konnte und Hungersnöte durch schlechte Ernten verhinderte.
Für die Spanier war die Kartoffel als Nahrungsmittel zuerst uninteressant. Nach Europa wurde sie 1555 nur wegen ihrer hübschen Blüten gebracht.
Einige Historiker gehen davon aus, dass Francis Drake als erster die Kartoffel nach Europa brachte, andere schreiben dies Walther Raleigh zu, der die Kartoffel in Irland einführte.
Allerdings erschwerten zwei Dinge, dass die Kartoffel zu dem Grundnahrungsmittel wurde, das sie heute ist.
Ebenso wie die Tomate, ist die Kartoffel ein Nachtschattengewächs und die meisten Teile der Pflanze sind giftig. Daher gab es mehrere schwere und sogar tödliche Vergiftungen, wenn Menschen anstelle der Knollen die Früchte aßen.
Der zweite Grund bestand darin, dass viele Menschen der Kartoffel die Wirkung zusprachen, Impotenz zu heilen und allgemein die sexuellen Fähigkeiten zu steigern. Aus diesem Grund war die katholische Kirche zuerst strikt gegen den Anbau von Kartoffeln. Auch dies ist den Bedenken sehr ähnlich, die es anfänglich gegen die Tomate gegeben hatte.
2.700 Jahre nach der Kultivierung durch die Inkas erkannte der preußische König Friedrich II, dass mit dem Anbau der Kartoffel Hungersnöte vermieden werden konnten und sorgte dafür, dass Kartoffeln zuerst in Pommern und Schlesien angebaut wurden. Die Bedenken im Volk zerstreute er, in dem er Kartoffeln 1744 kostenlos an die arme Bevölkerung verteilen ließ. 1756 wurde der Anbau von Kartoffeln vom König befohlen.

Die Industrialisierung mit einer schnell wachsenden Bevölkerung, die jetzt zu einem immer größer werdenden Teil in der Produktion und nicht in der Landwirtschaft arbeitete, wäre ohne die Kartoffel nicht möglich gewesen.
Im Vergleich zum Getreide besitzt die Kartoffel mehr Vitamine und einen höheren Nährwert, obwohl weniger Arbeit für Anbau und Ernte aufgewendet werden muss. Dadurch konnten weniger Bauern auf der gleichen Fläche mehr Arbeiter ernähren.
Wie sehr die Kartoffel ein Volksnahrungsmittel war, lässt sich einschätzen, wenn man weiß, dass am Ende des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa etwa 400 Kilo Kartoffeln pro Kopf und Jahr gegessen wurden. Heute sind es pro Person etwa noch 75 Kilo pro Kopf und Jahr.
Die Kartoffel hat aber noch eine weitere Verbindung zu den Kolonien: in den Jahren zwischen 1845 und 1852 breitete sich eine Pilzkrankheit über ganz Irland aus. Diese Krankheit verwandelte innerhalb weniger Stunden die gelagerten Kartoffeln in einen stinkenden, schleimigen Brei und führte zu einer schrecklichen Hungersnot. Da Kartoffeln in Irland das Hauptnahrungsmittel waren, verhungerte ein großer Teil der irischen Bevölkerung. Wer das Geld aufbringen konnte, buchte eine Passage in die Vereinigten Staaten, die immerhin bessere Überlebenschancen bot. Die Überlebenden der Seereise trafen in Nordamerika zu einer Zeit ein, in der die Verwaltung des Landes vergrößert wurde.
Die Folgen der großen Hungersnot sind heute immer noch zu spüren: Irland hat sich vom Verlust von 50% seiner ursprünglichen Population immer noch nicht erholt, und in den USA gibt es in Polizei und Feuerwehr überdurchschnittlich viele irische Namen.