506
Albert Schweitzer
Albert Schweitzer hat auch
noch Jahre nach seinem Tod einen hohen Bekanntheitsgrad. Er hat sich einen Namen
als
"Urwalddoktor" in Lambarene und kompromissloser Verfechter einer Menschen,
Tiere und Pflanzen umschließenden
"Ehrfurcht vor dem Leben" gemacht, er bleibt aber auch in Erinnerung
als Theologe (1906 veröffentlicht er ein wichtiges Buch zur Leben-Jesu-Forschung),
als Philosoph, als Orgelinterpret
und Bachbiograph, als Friedensnobelpreisträger (1952) und Friedenskämpfer
(1957/58 Programmatische Rundfunkappelle gegen Atomwaffenversuche und atomare
Bedrohung).
Albert Schweitzer war Hochschullehrer
und Direktor des Theologischen Studienstiftes zu St. Thomas in Straßburg,
als er
den Aufruf der Pariser Missionsgesellschaft zur Unterstützung ihrer Arbeit
in Zentralafrika las, denn dort mangele es an medizinischer Versorgung gegen
eine Vielzahl schwerwiegender Mangel- und Tropenkrankheiten. Er nimmt sich vor,
diesem Ruf zu folgen und beginnt ein Medizinstudium, um die fachlichen Voraussetzungen
zu schaffen. "Arzt wollte ich werden,
um ohne irgendein Reden wirken zu können. Jahrelang hatte ich mich in Worten
ausgegeben. Mit Freudigkeit hatte ich im Beruf des theologischen Lehrers und
Predigers gestanden. Das neue Tun aber konnte ich mir nicht als ein Reden von
der Religion der Liebe, sondern nur als ein reines Verwirklichen derselben vorstellen"
Im Oktober 1905 teilt er seinen Verwandten und Freunden mit, dass er sich entschlossen
hätte, Arzt in Equatorialafrika zu werden und daher Medizin zu studieren.
Zwischen 1905 und 1912 ist er, nebst seinem Medizinstudium, in seinen drei Hauptgebieten
Theologie, Philosophie und Musik äußerst aktiv und veröffentlicht
mehrere Bücher.
Im Oktober 1911 macht er sein medizinisches Staatsexamen und schließt
im November des gleichen Jahres die medizinischen Prüfungen ab. Im März
1913 fährt er das erste Mal nach Lambarene (Gabun), wo er zusammen
mit seiner Frau die Erbauung des ersten Spitals auf der Missionsstation von
Andende in Angriff nahm. Finanziert wurde das alles aus den Erlösen seiner
Buchveröffentlichungen, Vorträgen, Orgelkonzerten, sowie privaten
und öffentlichen Zuwendungen.
Der
Erste Weltkrieg bedeutete für Albert Schweitzers wichtige Tätigkeit
in Lambarene plötzlich ein Ende. Da das Elsass damals zu Deutschland gehörte,
galt Schweitzer in der französischen Kolonie Gabun als feindlicher Ausländer.
Zunächst durfte er unter Bewachung seiner Arbeit weiter nachgehen. Später
wurde ihm jede Tätigkeit verboten. Die damit unerwartet erhaltene freie
Zeit bot ihm Gelegenheit, über ein Problem nachzudenken, das ihn schon
früher beschäftigt hatte. Der Krieg war ihm drastischer Hinweis auf
den Niedergang der Kultur. Die Anerkennung des unmenschlichen Tuns, das der
Krieg bedeutet, machte ihm deutlich, dass die Menschen darauf verzichteten,
sich in erster Linie für das richtige Verhalten des einzelnen und für
echte menschliche Gemeinschaft einzusetzen. (siehe auch "Ehrfurcht vor
dem Leben")
Nach dem ersten Weltkrieg arbeitet Schweitzer weiter in Lambarene und reiste immer wieder nach Europa, um durch Konzerte und Vorträge Spenden für den Ausbau des Spitals und einer Leprastation zu sammeln und die Medikamentenvorräte zu ergänzen. Nach dem zweiten Weltkrieg begann seine erfolgreichste Lebensphase, in der er, ungestört von politischen Widrigkeiten und Querelen, der Menschheit den Dienst erweisen konnte, der ihm Dank seiner energievollen, begnadeten Fähigkeiten seit frühester Jugend stets vorgeschwebt hatte.
www.schweitzer.org
Ehrfurcht vor dem Leben
"Als bekannt wurde, dass von den Weißen, die früher am Ogowe
gelebt hatten, bereits zehn gefallen seien, äußerte ein alter Wilder:
'Warum kommen dann diese Stämme nicht zusammen, um das Palaver zu besprechen.
Wie können sie denn diese Toten alle bezahlen?" "Schon seit meinen
ersten Universitätsjahren hatte ich angefangen, der Meinung, dass die Menschheit
in einer sicheren Entwicklung zum Fortschritt begriffen sei, mit Bedenken zu
begegnen. Bei so und so viel Gelegenheiten musste ich feststellen, dass die
öffentliche Meinung öffentlich kundgegebene Inhumanitätsgedanken
nicht mit Entrüstung ablehnte, sondern hinnahm. Jetzt wütete der Krieg
als Ergebnis des Niedergangs der Kultur."
Im Bewusstsein, dass es nicht weiterführt, über den Niedergang der
Kultur zu klagen, suchte Schweitzer nach neuen Wegen, die einen Aufbau der Kultur
ermöglichen. Dabei wurde ihm klar, dass Kultur aufs engste mit der Lebensauffassung
zusammenhängt. Nur wer Ja sagt zum Leben und zur Welt, in der er lebt,
ist auch fähig, Kultur zu schaffen. Die Bejahung des Lebens und der Welt
aber beschließt ethisches, d. h. richtiges, verantwortliches Handeln in
sich. Ethik ist das Streben nach dem Ideal des Guten.
"Nun begann ich nach den Erkenntnissen und Überzeugungen zu suchen,
auf die der Wille zur Kultur und das Vermögen, sie zu verwirklichen, zurückgehen.
Ich erkannte, dass die Katastrophe der Kultur auf eine Katastrophe der Weltanschauung
zurückging. Eines der deutlichsten Anzeichen des Niederganges war mir,
dass der bisher geächtete Aberglaube wieder gesellschaftsfähig wurde."
"Was aber ist Kultur? Als das Wesentliche der Kultur ist die ethische Vollendung
der einzelnen wie der Gesellschaft anzusehen. Der Wille zur Kultur ist also
universeller Fortschrittswille, der sich des Ethischen als des höchsten
Wertes bewusst ist." "Welcher Art aber ist die Weltanschauung, in
der der universelle und der ethische Fortschrittswille miteinander begründet
und miteinander verbunden sind? Sie besteht in ethischer Welt- und Lebensbejahung."
Vergeblich suchte Albert Schweitzer während Monaten eine Antwort auf die Frage, wie der Mensch dazu kommen kann, sich selbst und die Welt zu bejahen. Da musste er im September 1915 eine längere Fahrt auf dem Fluss unternehmen. Am Abend des dritten Tages stand urplötzlich der Ausdruck "Ehrfurcht vor dem Leben" vor ihm. Wer über die Welt und sich selber nachdenkt, merkt, dass alles, was ihn umgibt, Pflanzen, Tiere, Mitmenschen, genau gleich am Leben hängt, wie er selber. Wer das begriffen hat, muss ihnen allen in Liebe begegnen. Aus Achtung vor Gott, der jedem Wesen das Leben schenkt, damit es seine Aufgabe erfüllen kann, gilt es, jedem Achtung entgegenzubringen und ihm zu seiner Erfüllung zu verhelfen. Das ist das dem Menschen schöpfungsgemäß angemessene richtige Verhalten. Wer das tut, handelt gut.
"Was ist Ehrfurcht vor dem Leben, und wie entsteht sie in uns? Die unmittelbarste Tatsache des Bewusstseins des Menschen lautet: 'Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das Leben will.' Als Wille zum Leben inmitten von Willen zum Leben erfasst sich der Mensch in jedem Augenblick, in dem er über sich selbst und über die Welt um sich herum nachdenkt." "Zugleich erlebt der denkend gewordene Mensch die Nötigung, allem Willen zum Leben die gleiche Ehrfurcht vordem Leben entgegenzubringen wie dem eigenen. Er erlebt das andere Leben in dem seinen. Als gut gilt ihm: Leben erhalten, Leben fördern, entwickelbares Leben auf seinen höchsten Wert bringen; als böse: Leben vernichten, Leben schädigen, entwickelbares Leben niederhalten." "Dies ist das denknotwendige, absolute Grundprinzip des Sittlichen." "Ethisch ist der Mensch nur, wenn ihm das Leben als solches, das der Pflanze und des Tieres wie das des Menschen, heilig ist und er sich dem Leben, das in Not ist, helfend hingibt. Nur die universelle Ethik des Erlebens der ins Grenzenlose erweiterten Verantwortung gegen alles, was lebt, lässt sich im Denken begründen." "Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben begreift also alles in sich, was als Liebe, Hingabe, Mitleiden, Mitfreude und Mitstreben, bezeichnet werden kann."
Lambarene
Die Stadt Lambarene liegt einige Kilometer südlich des Äquators auf
einer langen Insel mitten im Ogowe in der Seenregion. Es ist der Hauptort, das
Verwaltungs-, Wirtschafts- und Medizinalzentrum der Provinz Mittel-Ogowe. Die
Provinz hat ca. 45.000 Einwohner (1992). Davon leben 15.000 in Lambarene. Es
ist mit Libreville durch eine 250 km lange, asphaltierte Strasse verbunden.
Im Wagen dauert die Fahrt auf der Nationalstrasse Nr. 1 nach Lambarene drei
bis vier Stunden. Zweimal wöchentlich wird Lambarene durch die Air Gabon
angeflogen. Die Stadt ist auch auf dem Ogowe von Port Gentil aus erreichbar.
Durch die Aktivitäten und das Spital von Albert Schweitzer ist Lambarene
weltbekannt geworden.
nach: http://www.schweitzer.org/
International Albert Schweitzer Foundation