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Die Eroberung der Länder
auf anderen Kontinenten konnte auf lange Sicht nur erfolgreich sein, wenn er
sich in barer Münze auszahlte:
- entweder mussten die dort vorhandenen Rohstoffe ausgebeutet und nach Europa
geschickt werden (Gold, Silber, Zinn, Kupfer, Blei, Holz, Naturkautschuk, Felle);
- oder die Arbeitskraft von Ureinwohnern oder Sklaven musste in der Produktion
von Rohstoffen ausgebeutet werden, die dann nach Europa geschickt wurden (Baumwolle,
Zucker, Kaffee, Plantagenkautschuk, Indigo, Tee);
- oder die eroberten Länder mussten als Absatzmärkte für europäische
Waren dienen (Waffen, Textilien, Werkzeuge, Nahrungsmittel, Saat- und Düngemittel,
Medizin).
Diese drei Punkte lassen sich nicht deutlich von einander trennen, denn natürlich
waren es nicht Europäer, die in den Minen schufteten, sondern Ureinwohner
und Sklaven, deren Arbeitskraft für den Abbau der Rohstoffe ausgebeutet
wurde.
Und schließlich können die eroberten Länder nur dann Märkte
für europäische Waren sein, wenn deren BewohnerInnen über das
Geld verfügen, um sie zu bezahlen. Dieses Geld können sie auch nur
dann bekommen, wenn sie vorher ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellten.
Selbst die Kolonien, die
zuerst als Flottenstützpunkte geplant waren und kaum eigene Einkünfte
brachten, waren für die Gewinne aus den anderen Kolonien wichtig. Ohne
diese wären Schiffsreparaturen auf dem Weg nach Europa nicht möglich
gewesen, die Transportschiffe hätten mehr Laderaum für die Versorgung
der Besatzung benutzen müssen und die Transporte konnten schlechter gegen
Piraten und Angriffe durch fremde Kriegsschiffe geschützt werden.
Nicht zuletzt konnten Aufstände in einer Kolonie durch das schnelle Eingreifen
von nah stationierten Kriegsschiffen schnell unterdrückt werden.
Auch wenn die Kolonialmächte
das Ziel hatten, von der Eroberung anderer Länder zu profitieren, die dafür
notwendigen Schritte konnten sie nur in Ausnahmefällen unternehmen.
Hier kamen Händler und Kaufleute ins Spiel.
Da aber der Aufbau von Plantagen, Minen und der Infrastruktur für den Transport
immense Summen im Vorfeld notwendig machte, konnten entweder nur sehr große
Handelshäuser wie die deutschen Fugger oder Welser in das Geschäft
einsteigen, oder Zusammenschlüsse mehrerer kleiner Handelshäuser,
die gemeinsam das nötige Geld aufbrachten.
Diese Zusammenschlüsse
von Handelshäusern, Banken und anderen Investoren entwickelten sich zu
einer der wichtigsten Kräfte des Kolonialismus und waren in der Regel von
seiten ihrer Regierung mit Vollmachten ausgestattet, die sie oft zu einer Quasi-Regierung
der Kolonien machten: Befehlsgewalt über Truppen und Kriegsschiffe, oder
die Erlaubnis eigene Truppen und Kriegsschiffe zu führen, Gesetzgebung
und Erhebung von Steuern, Strafgewalt, Planung und Durchführung von Eroberungen,
Verkauf und Verpachtung von Ländereien, Erhebung von Tributen der Ureinwohner,
sowie weitreichende Handelsrechte.
Die Nationalstaaten erhielten ihrerseits Steuern, beziehungsweise Gewinnanteile
von den Handelsgesellschaften.
Häufig mussten die Handelsgesellschaften auch für die Erteilung der
Vollmachten über einen gewissen Zeitraum bezahlen.
Da die wirtschaftliche Ausbeutung der Kolonien enorme Gewinne erbrachte, war
diese Aufteilung ein wundervolles Geschäft für alle Beteiligten -
abgesehen für die Ureinwohner der Kolonien natürlich.
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden die umfassenden Vollmachten der
noch existierenden Handelsgesellschaften größtenteils rigoros beschnitten,
die Kolonialmächte übernahmen wieder die Kontrolle über Militär
und Verwaltung und die Handelshäuser beschränkten sich auf Produktion
und Handel.
Allerdings ist die Verflechtung von Wirtschaft und Politik immer noch ein wesentlicher
Teil des Welthandels. Der heutige Einfluss von Obst- und Metallhandelsgesellschaften
auf die Länder Südamerikas und von Erdölgesellschaften in Afrika
und im Nahen Osten führt zu Staatsstreichen, verhindert politische Opposition
und Revolutionen, fördert Regierungen und sorgt für die Vernichtung
und Vertreibung der UreinwohnerInnen.
Die Niederländische Ostindische Kompanie
1602 wurden von der niederländischen
Generalversammlung mehrere kleine Handelsgesellschaften zur Niederländischen
Ostindischen Kompanie zusammengeführt.
1619 wurde der Hauptsitz der Kompanie Batavia auf Java gegründet, aber
bis dahin hatte die Gesellschaft ihre Handelsbeziehungen von Afrika bis zur
Magellanstraße im Osten ausgedehnt und umfassende Rechte für die
Kontrolle ihrer Gebiete erhalten.
Von Batavia aus dehnten sich die Geschäfte bis nach Japan, China und Persien
aus.
Während des Krieges zwischen Spanien und den Niederlanden 1605-1665 eroberte
die Kompanie alle Kolonien des spanischen Verbündeten Portugal in Ostindien
und verdrängte diese aus den meisten Gebieten Asiens.
Gleichzeitig wurden auch die englischen Handelsaktivitäten in diesen Regionen
behindert.
1632 wurde mit dem Aufbau der ersten europäischen Siedlungskolonie in Südafrika
begonnen und verschaffte der Kompanie eine einmalige strategische Stellung für
die Transporte, die um Afrika herumfahren mussten.
Die Konzession musste alle 20 Jahre von der niederländischen Generalversammlung
erneut gekauft werden, allerdings erwirtschaftete die Kompanie derartig hohe
Gewinne, dass im 17. Jahrhundert zwischen 10 und 65% Dividenden an Investoren
und Teilhaber ausgezahlt werden konnten.
In der Mitte des 17. Jahrhunderts verfügte die Kompanie über 40 Kriegsschiffe,
150 Handelsschiffe und eine Armee von 10.000 Soldaten.
Im 18. Jahrhundert unterlag die Kompanie allerdings der wachsenden Macht Englands.
Weitere Faktoren waren der durch die rücksichtslose Herrschaft der Holländer
hervorgerufene Widerstand der UreinwohnerInnen.
1799 wurde die Kompanie durch die niederländische Regierung aufgelöst,
die das noch vorhandene Kapital dem Staat zuführte.
Die französische Ostindische Kompanie
Vom französischen Finanzminister
Colbert 1664 gegründet. Der erste Handelsstützpunkt wurde 1675 in
Bombay gegründet und die Handelsrouten bis nach China und Persien ausgedehnt.
1719 wurde die Kompanie mit den französischen Handelskompanien für
Amerika und Afrika zur Compagnie des Indes zusammengeschlossen. Ab 1730 musste
die Kompanie zuerst den Sklavenhandel mit Afrika, dann den gesamten Handel mit
Louisiana und schließlich den Kaffeehandel mit Amerika aufgeben. Weitere
Rückschläge gab es durch die Eroberung Indiens durch die Engländer.
1769 wurde die Kompanie durch den König aufgelöst und ihr gesamtes
Kapital dem Staat Frankreich zugeführt.
Holländisch-Westindische Kompanie
1621 von der Generalversammlung
der Niederlande gegründet, um das wachsende Geschäft mir der Karibik
und Südamerika zu übernehmen.
Die Kompanie erhielt neben dem Handelsmonopol, wie ihre ostindische Schwesterkompanie
auch, das Recht, neue Kolonien zu erobern, die UreinwohnerInnen zu regieren,
das Strafrecht auszuüben und Truppen und Kriegsschiffe zu unterhalten.
Der Versuch, Konkurrenten zu vertreiben, ist vergleichbar mit den Bestrebungen
der ostindischen Kompanie. Sie versuchte etwa, die portugiesische Kolonie Brasilien
zu erobern, waren aber weniger erfolgreich und die Kompanie setzte sich hauptsächlich
in Surinam, Curacao und den kleinen Antillen fest. Die Kompanie erbrachte keine
Gewinne, die sich mit denen in Asien vergleichen ließen und wurde 1674
aufgelöst. Zwei später gegründete Nachfolgekompanien waren nicht
erfolgreich.
Hudson´s Bay Company
Wurde 1670 von König
Charles II gegründet und mit dem Handelsmonopol für die Region der
Hudson Bay ausgestattet. Außerdem erhielt die Kompanie das Recht, Festungen
und Kriegsschiffe zu bauen und zu unterhalten, sowie die Regierung und das Strafrecht
über die UreinwohnerInnen auszuüben.
Die Kompanie blieb anfangs relativ unbedeutend und engagierte sich fast ausschließlich
im Fellhandel und -export nach Europa, dies aber mit erheblichen Gewinnen.
Der Krieg Englands mit Frankreich endete 1763 mit der englischen Eroberung Kanadas
und damit mit einer Ausweitung des Gebietes der Kompanie.
Das Monopol der Kompanie konnte allerdings langfristig nicht durchgesetzt werden
und wurde mit der Zeit mehr und mehr von selbstständigen Trappern und kleineren
Gesellschaften unterlaufen.
Die 1783 gegründete Northwest Fur Company wurde mit der Hudson´s
Bay Company zusammengeschlossen und ein Teil der Konkurrenz somit aufgehoben.
Das Handelsgebiet der Kompanie schloss damit den gesamten Norden des nordamerikanischen
Kontinents von Küste zu Küste ein. 1838 wurde von der Regierung für
weitere 21 Jahre das Handelsmonopol gekauft, aber nach Ablauf dieser Zeit endgültig
abgeschafft. Obwohl damit der Konkurrenz der gesamte Markt wieder offen stand,
behielt die Kompanie ihre Stellung. Der erste Besitz der Kompanie, das "Rupert´s
Land", wurde für 300.000 Pfund an den Staat Kanada verkauft, aber
die Kompanie besitzt immer noch Ländereien. Weitere Geschäftsbereiche
wurde eine Dampfschifflinie und eine Kaufhauskette in Kanada. Aus dem Fell-
und Pelzhandel zog sich die Kompanie mehr und mehr zurück - die letzte
Pelzhandlung wurde 1991 geschlossen.
Die dänische Ostindische Kompanie
Nachdem Dänemark im
17. Jahrhundert erfolglos versucht hatte, am Ostindienhandel teilzunehmen, vergab
der dänische König Friedrich IV 1729 die Konzession zur Gründung
der Handelsgesellschaft. Bis zur Eroberung Indiens durch die Engländer
war die Kompanie erfolgreich tätig, verlor ihre Machtposition aber endgültig,
als die dänische Flotte von der englischen Navy 1801 vernichtet wurde.
Die wichtigsten Stützpunkte der Kompanie gingen bis 1845 an die Engländer
über.