Je besser man den Umgang
mit dem asiatischen Indigo beherrschte, um so mehr trat der Waid (die europäische
Färbepflanze) in den Hintergrund. Die Portugiesen wurden in Indien durch
die Holländer verdrängt und mit der Gründung der Ostindischen
Handelsgesellschaft im Jahre 1602 wurde die Indigoeinfuhr aus Indien und Indonesien
nach Europa intensiviert. Die Spanier führten dann die Indigopflanze auch
in den von ihnen besetzten Gebieten in Mittel- und Südamerika ein und es
entstanden dort große Indigoplantagen. Und damit begann auch das Leiden
und Sterben tausender von Sklaven, die von Afrika aus in die neu angelegten
Plantagen gebracht wurden. Frankreich förderte den Anbau auf San Domingo,
ihrer wichtigsten Besitzung in Westindien, und die Engländer gründeten
um 1700 die ersten Indigoplantagen in Karolina.
Der Untergang des in Europa noch in hoher Blüte stehenden Färberwaid-Indigos
war damit trotz großem Widerstand der Waidbauern besiegelt (damals gab
es noch keine EG mit ihrer Agrarordnung). Insbesondere der Ausbruch des 30jährigen
Krieges im Jahre 1618 führte zu einer Verknappung des Waides, da viele
Waidacker nicht mehr richtig bestellt werden konnten oder zur Gewinnung von
Nahrungsmitteln genutzt wurden. In diese Lücke trat nun der weitaus billigere
und qualitativ bessere asiatische Indigo.
Nach dem Verlust der nordamerikanischen Kolonien (1783) intensivierte England den Indigoanbau in Bengalen. Nach dem Aufstand der Mulatten und Neger in San Domingo (1795) eroberte sich Großbritannien eine Monopolstellung im Indigohandel. Darauf versuchte Napoleon I. durch Förderung des Waidanbaus und mit einer Importsperre englischer Produkte zu antworten. Er setzte 1810 einen Preis von 425 000 Franken für die Verbesserung der Waidfärberei oder das Auffinden einer leicht anbaubaren Ersatzpflanze aus. Ein Jahr später wurde der Waidanbau in ganz Frankreich gesetzlich angeordnet. Doch alle diese Bemühungen führten infolge der nur noch kurzen Lebensdauer des Kaiserreiches zu keinem Erfolg.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts
erlebte die Indigoproduktion dank dem intensiven Anbau in Britisch-Indien eine
beträchtliche Steigerung. Rund 75 % der Weltproduktion stammten aus diesem
Gebiet. Java und Ceylon, Guatemala, San Salvador, Nicaragua, Mexico und Venezuela
waren weitere wichtige Exportländer. Wie alle Monokulturen waren auch die
großen Indigoplantagen anfällig für Schädlinge und nicht
selten wurde die ganze Ernte vernichtet.
In ganz Europa wurde nun mit diesem natürlichen Farbstoff aus fernen Ländern
Blaufärberei betrieben. Auch in unserer Sprache hat sie Spuren hinterlassen.
Nach zwölfstündigem arbeitsintensiven Ansetzen der Küpe und der
Behandlung des textilen Materials in der Küpe folgte das ebenso lange Hängen
an der Luft. Sonntags wurde nicht gearbeitet; so lag das Färbegut einen
Tag mehr in der Küpe. Am Montag wurde dann "Blau gemacht". Man
begann die neue Arbeitswoche also eher gemächlich und wir kennen heute
noch die Bezeichnung vom "blauen Montag".
1897 betrug die Weltproduktion
von natürlichem Indigo neun Millionen Kilogramm. In Indien umfasste die
Anbaufläche für Indigo rund 650 000 Hektaren. Kalkutta wurde zum wichtigsten
Handelsplatz für Indigo.
Die reinsten Sorten des natürlichen Indigos enthielten bis 90% Farbstoff
und stammten vorwiegend aus Java. Bei schlechteren Sorten betrug der Farbstoffgehalt
20% oder weniger. Es ist klar, dass versucht wurde, dieses kostbare Handelsprodukt
durch Zugabe von Stärke, Berlinerblau, Russ, Harz und zerkleinerten, blauen
Woll- und Seidenstoffabfällen zu strecken.
Einen weiteren Aufschwung
erlebte die Indigofärberei 1873. Der französische Chemiker Paul Schützenberger
(1829-1897) entdeckte die hydroschweflige Säure und das als starkes Reduktionsmittel
wirkende Natriumhydrosulfit. Damit begann eine neue Epoche in der Geschichte
der Küpenfärberei. Erstmals war es möglich, die Indigoküpe
in einfacher und sicherer Form anzusetzen, besonders später mit dem, einen
konstanten Farbstoffgehalt aufweisenden, synthetischen Indigo. In kurzer Zeit
(kalt in 60 Minuten, bei Erwärmen in 30
Minuten) war die Reduktion vollzogen.
An dieser Stelle eine kurze Nebenbemerkung. Im Auftrage eines Amsterdamer Handelsgeschäftes
war ein tüchtiger Kaufmann in Russland im Indigogeschäft tätig.
Dieser brachte es dank der großen Nachfrage schnell zu Reichtum und konnte
es sich leisten, sich ganz seiner Leidenschaft, der Archäologie, zuzuwenden.
So stehen die Ausgrabungen von Heinrich Schliemann in Troja (1870) und Mykene
in einem nachweisbaren Zusammenhang mit dem Indigo.
Während der Indigo
immer noch Höchstpreise erzielte, war sein Schicksal schon besiegelt. Mit
der Gründung der Teerfarbenindustrie begann eine Umwälzung, die die
Färberei völlig umgestalten und die Herrschaft der synthetischen Farbstoffe
begründen sollte.
Allmählich begann sich die wissenschaftliche Chemie mit dem Indigo zu befassen.
(...) Damit war der Weg für einen neuen, wichtigen Industriezweig vorgezeichnet.
Manche Firmen tragen heute noch das Anilin im Firmennamen, so z.B. die Badische
Anilin und Sodafabrik (BASF) oder die Aktiengesellschaft für Anilinfarben
(AGFA).
aus: www.dutly.ch/indigohtml/indigo1.html
Andreas Dutly