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1554, MEXIKO

Sepulveda

Die Ratsversammlung der Stadt Mexiko, die Creme der Kolonialgesellschaft, beschließt, Juan Ginés de Sepúlveda in Anerkennung seiner Verdienste und als Ansporn für die Zukunft zweihundert Goldpesos zu schicken.
Der Humanist Sepúlveda ist nicht nur Rechtsgelehrter und Hauskaplan Karls V., sondern glänzt auch im Geschäftsleben, wie sein wachsendes Vermögen zeigt, und betätigt sich bei Hof als glühender Werbeagent der Land- und Indianerbesitzer Amerikas.
Im Gegensatz zu den Argumenten Bartolomé de Las Casas' hält Sepúlveda daran fest, dass die Indianer von Natur aus und nach Gottes Willen Knechte sind und dass die Heilige Schrift Belege zur Genüge für die Züchtigung der Ungerechten liefert. Wenn Las Casas möchte, dass die Spanier die Indianersprachen lernen, so wie es die Indianer mit dem Kastilischen tun, so setzt Sepúlveda dem entgegen, zwischen Spaniern und Indianern bestehe derselbe Unterschied wie zwischen Mann und Weib und in gewissem Sinne auch zwischen Mensch und Affe. Was Las Casas Amtsmissbrauch und Verbrechen nennt, sind für Sepúlveda legitime Herrschaftsmethoden, weshalb er auch gegen jeden zum Gehorsam Geborenen, der den Sklavendienst verweigert, die Weidmannskunst empfiehlt.
Der König lässt Las Casas' Streitschriften drucken, Sepúlvedas Traktat über die gerechten Ursachen des Kolonialkriegs aber verbieten. Sepúlveda nimmt die Zensur mit einem Lächeln und ohne Widerrede hin. Er weiß ja, die Realitäten vermögen letzten Endes mehr als das schlechte Gewissen, und er weiß auch, was alle Regierenden im Grunde wissen: dass Weltreiche vom Streben nach Gold und nicht vom Streben nach Seelen errichtet werden.

aus: Eduardo Galeano, Erinnerung an das Feuer