Für die Arbeit auf
dem Feld kamen nur die männlichen Hindus in Frage. Sie schlugen die Stauden
mit dem Buschmesser. Dabei war darauf zu achten, dass der Schlag nicht zu hoch
und nicht zu tief geführt wurde. Lag der Schlag zu hoch, litt die Ausbeute.
Ein zu tiefer Schlag verletzte die jungen Triebe, die bereits über den
Wurzeln standen. Von diesem Morgen an stand der Aufseher Tag für Tag von
Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, das heißt von halb sechs Uhr morgens
bis halb sieben Uhr abends, ohne eine Viertelstunde Unterbrechung auf dem Felde.
Das Essen wurde ihm gebracht. Er aß stehend im Schatten einer Tamarinde.
Das Thermometer zeigte über vierzig Grad. Das Wasser rann ihm von Stirn
und Nacken. Aber es gab nur zwei Ernten im Jahr, und Ernte war Ernte. Er begleitete
die Träger, wenn sie die gebündelten Stauden hinabtrugen zu den Bambusbaracken.
Dort standen die Gärungsküpen, in die Erde eingemauerte Gruben. In
diese Gruben wurden die Stauden geworfen und mit Wasser überdeckt. Nach
wenigen Stunden begannen die Stauden im Wasser zu gären. Man erkannte die
einsetzende Gärung daran, dass an den Blättern und Stängeln der
Stauden sich feine Bläschen ansetzten, die sich allmählich lösten
und in immer dichterer Folge an die Oberfläche stiegen. Mit der Zeit wurde
die ganze Lauge lebendig. Es begann in der Flüssigkeit zu zischen, zu knirschen,
zu sprudeln, zu schäumen. Die Gärung dauerte zwölf bis fünfzehn
Stunden.
Der
Betrieb ging Tag und Nacht. In dieser Zeit wich der Aufseher nicht von den Küpen.
Er prüfte alle halbe Stunde den Geruch, den Geschmack und die Farbe der
Flüssigkeit. Am Geruch und vor allem am Geschmack erkannte man am besten,
wie weit der Prozess gediehen war. Eine halbe Stunde zuviel konnte die ganze
Ausbeute verderben. Endlich zeigte sich der erwartete blaue Schaum an der Oberfläche.
Noch einmal wurden Geruch und Geschmack der gärenden Masse geprüft.
Es kam dabei fast auf die Minute an. Dann gab er das Zeichen, und die Hindus
zogen am Zapfen. Mit gurgelndem Ton schoss die gelbe Lauge in die tiefer gelegenen
Schlagküpen, die in der benachbarten Baracke aufgestellt waren. Dort warteten
schon die Frauen und Mädchen der Hindus, lange Bambusstöcke in der
Hand. Sowie die Lauge in den Küpen erschien, begannen sie die schillernde
Lösung mit ihren Stöcken zu schlagen.
Sie peitschten die Lauge auf ihre eigene Art. Sie wussten, dass es darauf ankam,
möglichst viel Luft unter die Flüssigkeit zu schlagen, und sie erreichten
diesen Zweck dadurch, dass sie den Schwung ihrer Beine und Hüften auf Schultern
und Arme und zuletzt auf den geschwungenen Bambusstock übertrugen. Sie
peitschten die Lauge, bis sich der Farbstoff als blauflockige Masse abschied,
die sich dann schnell und völlig am Boden der Küpe absetzte. Dann
gab der Aufseher den Befehl, die schon längst klar gewordene Flüssigkeit
abzulassen. Das Peitschen hörte auf.
Der Schlammrückstand wurde in große Bottiche gebracht, mehrere Stunden
mit Wasser gekocht und zuletzt wieder abfiltriert. Der zurückbleibende
Indigobrei wurde ausgepresst, in Stücke geschnitten, und endlich zum Trocknen
in das Trockenhaus gebracht.
aus: Karl Aloys Schenzinger, Anilin, Berlin 1938