6. Siedlung und Kolonisierung in Asien

6.1. Erkundung und Gewürzhandel: Indien und Ost-Indien

1498 erreichte eine von Vasco da Gama geführte portugiesische Expedition Calicut in Indien. Das erste Mal gelang es einem Schiff, um die afrikanische Küste herum zu segeln. Den Portugiesen wurde von den lokalen Herrschern die Erlaubnis gegeben, mit Gewürzen zu handeln und für diesen Zweck Lagerhäuser und Fabriken zu bauen. Der Handel wurde zu dieser Zeit von arabischen Gewürzhändlern kontrolliert und da die Portugiesen den Indern ausschließlich unattraktive Waren anbieten konnten, wurde es für sie sehr schwer, mit den Arabern zu konkurrieren. Als Reaktion beschloss Alboquerque, die Araber anzugreifen, und dadurch deren Position im Handel zu zerschlagen und selbst die Kontrolle im Gewürzhandel zu übernehmen. 1510 wurde Goa erobert, eine große und wohlhabende Stadt auf einer Insel mit einem gut zugänglichen Hafen. Damit verfügte Portugal über einen Flottenstützpunkt der den gesamten Bereich von Malabar und die westlichen Küste von Indien kontrollierte. Andere wichtige Stützpunkte, wie die Stadt Diu wurden ebenfalls erobert. Nach einiger Zeit verfügte Portugal über eine Reihe kleiner, aber starker Befestigungen an der Küste.
Dennoch waren die Portugiesen noch lange nicht in einer wirklich vorteilhaften Position; sie waren nur eine kleine Gruppe von Händlern, die mit vielen anderen in Konkurrenz stand. Dazu kam, dass die örtlichen muslimischen Prinzen überaus mächtig waren, da die meisten Gebiete Indiens unter der Herrschaft der mächtigen Mughal Kaiser standen.

Von der Westküste weiteten die Portugiesen ihre Interessen zum östlichen Indien aus, und eroberten in den Jahren 1511 bis 1513 die Region Malacca, was ihnen die Kontrolle über die gleichnamige Meerenge gab, durch die aller Handel vom Fernen Osten nach Indien gehen musste. Schließlich erreichten sie die Molukken, die eigentlichen Gewürzinseln, wo sie einen Vertrag mit dem Sultan von Ternate abschlossen, der ihnen das Monopol über den Handel mit der Gewürznelke verschaffte und ihnen überdies den Bau eines befestigten Lagerhauses erlaubte.
Sogar Kanton in China wurde zu dieser Zeit erreicht, aber die Portugiesen waren nicht besonders willkommen. Erst 1556 wurde ihnen erlaubt, eine Niederlassung in Macao zu gründen.

6.2. Portugiesische Siedlungen im Fernen Osten

Die Position der Portugiesen im Osten war sehr unterschiedlich zu ihrer Rolle in Amerika. Sie kamen nicht als Eroberer und mussten mit dem mächtigen Mughal Imperium und den muslimischen Prinzen konkurrieren, die ebenfalls in dieser Zeit ihren Einflussbereich ausweiteten. Die portugiesische Krone versuchte darum, in erster Linie den Seehandel zu fördern und eine Reihe kleinerer Stützpunkte zu schaffen, die den Seehandel unterstützen konnten.
Zudem hatten sie so begrenzte Ressourcen, dass es ihnen zwar möglich war, ihre kleinen Küstenfestungen mit ihrer Seemacht zu verteidigen, sie waren aber nicht stark genug, die einzelnen mächtigen lokalen Herrscher zu besiegen. Portugal war deshalb keine wichtige Macht in diesem Gebiet, und sein politischer und religiöser Einfluss war sehr beschränkt. Eine Anzahl von Forts, Fabriken und Missionsstationen wurden in Indien und den Inseln östlich von Indien gebaut, die für den Handel mit Pfeffer, Zimt, Muskatnuss, Kampfer, Gewürznelken und anderen Gewürzen genutzt wurden. Alle Waren wurden vor dem Weitertransport nach Lissabon in Goa gelagert.
Außerdem wurden einige kleine Handelstationen für Baumwolle und Stoffe errichtet.
Desgleichen lokale Gewerbe für Baumwolle und Textilien. Innerhalb der portugiesischen Stützpunkte wurde mit beschränktem Erfolg missionarische Arbeit geleistet, man beeinflusste aber nur einen kleinen Teil der Bevölkerung. Weder Muslime noch Hindus zeigten großes Interesse am Christentum, der Islam war die vorherrschende Religion, die sich schnell verbreitete.

Indische Zivilisation
Indien besaß bereits ab 2.000 v. C. eine weit entwickelte Zivilisation. Erfahrene Handwerker bauten Städte, Paläste und Tempel. Kostbare Kleider aus Musselin, Samt und Baumwolle wurden hergestellt, allgemein war Indien das wirtschaftlich am weitesten entwickelte Land des 17. Jahrhunderts.

Anmerkung: In Folge der Reisen Magellans versuchten sowohl Spanien, als auch Portugal, die Molukken unter ihre Herrschaft zu bringen. Daraus ergaben sich mehrere kriegerische Zusammenstöße, bis die Spanier ihre Pläne schließlich aufgaben. 1564 eroberten die Spanier von Mexiko aus Cebu und die Philippinen, wo sie Niederlassungen gründeten. Von hier aus wurde der Seidenhandel mit Mexiko aufgebaut.

6.3. Holländische und englische Kolonisierung

Im frühen 17. Jahrhunderten waren sowohl Holland als auch England aufstrebende Seemächte, die sich anschickten in den Gewürzhandel einzusteigen. Beide Nationen gründeten für diesen Zweck Ost-Indien-Handelsgesellschaften, die planten Siedlungen und Handelstützpunkte in diesem Teil der Welt zu errichten.

Zuerst planten die Niederländer ausschließlich den Handel, verfolgten dann aber eine aggressive Politik, die ihnen die Kontrolle über die wichtigsten Rohstoffe der Region und damit eine Monopolstellung sichern sollte.
Sie schufen ein Netzwerk von Festungen und benutzten diese zusammen mit ihrer starken Marine, um die Portugiesen und die auftauchenden Engländer zu vertreiben und die Herrschaft über die Seehandelsrouten zu übernehmen.
Dabei wurden die meisten portugiesische Lager und Küstenbefestigungen in Südindien und Ceylon erobert. Von der verstärkten Festung Batavia aus griffen die Niederländer Malacca, die portugiesischen Siedlungen auf den Banda-Inseln und die portugiesische Niederlassung Amboina auf den Gewürzinseln an und eroberten sie. Die meisten dieser Inseln wurden unter direkte holländischer Kontrolle gebracht, andere wurden gezwungen, die holländische Herrschaft anzuerkennen.
Der Sultan von Ternate wurde zum Beispiel 1657 gezwungen, den Anbau von Gewürzen auf allen seinen Inseln zu verbieten, damit Anbau und Kultivierung von Gewürzen auf die von Holland besetzten Inseln beschränkt blieb.
1700 kontrollierte Holland alle Häfen Javas und große Teile des Hinterlands. Die portugiesischen Bereiche waren durch die Eroberungen jetzt auf Goa und einige andere Forts in Indien, einen Teil der Timor Insel und Macao in China reduziert.

Holländische Kolonialherrschaft
Die holländische Ost-Indien-Handelsgesellschaft behielt nur Batavia und die wichtigsten Gewürzinseln unter direkter Herrschaft. Über die meisten Inseln herrschten weiterhin die örtlichen Herren, allerdings wurden sie gezwungen, sich mit der regelmäßigen Lieferung von Gewürzen und anderen Pflanzen zu festgesetzten Preisen an die Niederländer einverstanden zu erklären.
In den Gebieten, die unter direkter Kontrolle der Niederländer standen, wurden die Eingeborenen gezwungen, auf Plantagen oder beim Bau von Gebäuden zu arbeiten. Auf den Banda Inseln mussten Sklaven die Arbeit auf den Gewürzplantagen verrichten, nachdem die einheimische Bevölkerung ausgerottet worden war.
Es gab nur relativ wenig Missionsarbeit und wenig Verständnis für die Rechte der Eingeborenen. Der Rassismus war vergleichsweise gering und Mischehen normal

Der englische Handel mit dem westlichen Indien entwickelte sich während des 17.Jahrhunderts. 1639 war eine Fabrik und ein Fort in Madras mit der Genehmigung des örtlichen Herrschers gebaut worden. Der englischen Ost-Indien-Handelsgesellschaft ging es nur darum, friedlich Handel zu treiben, und war sowohl zu klein, als auch zu schwach, um eine aggressive Politik der Eroberung zu betreiben. Die englische Politik begann etwa 1690 sich zu ändern, als die Gesellschaft versuchte, die direkte Kontrolle über das Gebiet um Kalkutta zu bekommen und es dauerhaft zu besetzen. Dieser erste Versuch war noch regional begrenzt, da England als Landstreitmacht zu dieser Zeit noch nicht stark genug war, ein größeres Gebiet zu erobern und es über längere Zeit zu halten.

6.4. Europäische Kolonien im 16. und 17. Jahrhundert

In Asien trafen die Europäer bei ihren ersten Erkundungen auf mächtige, gut organisierte und bewaffnete Nationen, so dass sie nicht in der Lage waren, Länder zu erobern und im großen Maßstab Niederlassungen zu gründen. Große Kolonialgebiete konnten daher hier nicht gegründet werden. Die Portugiesen und Seefahrer anderer Nationen hatten zur Unterstützung ihres Handels aus diesem Grund auch nur einen Verbund von Festungen und Fabriken an den Küsten errichten können. Nur in einigen wenigen Gebieten in Indien und den Ostindischen Inseln konnten die Europäer größere Niederlassungen gründen, die hauptsächlich von Menschen verwaltet und betrieben wurden, die dort zeitweilig lebten.
Die einzige Ausnahme waren die Philippinen, auf denen die Spanier im weitem Umkreis die einzige größere Kolonie gründeten: Aber auch diese war kaum mit den Besitzungen in Amerika zu vergleichen, da nur wenige Spanier auf den Philippinen lebten und eine nur lockere Herrschaft über die Ureinwohner ausübten.
Größere Veränderungen gab es erst im späten 18. Jahrhundert. Als Folge des Zusammenbruchs einiger großer Reiche in Asien, erhielten die Europäer die Möglichkeit, sich in das Machtvakuum zu drängen und Länder zu erobern.

6.5. Englische Kolonisierung in Indien

Um 1700 gab es weniger als 1.500 Engländer in ganz Indien und sie waren beschränkt auf Madras, Kalkutta, Surat und Bombay. Sie waren ausschließlich am Handel interessiert und lebten weitgehend getrennt von den Einheimischen.
Die Ost-Indien-Handelsgesellschaft versuchte, den Handel auszubauen und hatte keinerlei Interessen, irgendwelche Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen.
Während des 18. Jahrhunderts änderte sich diese Position vollständig und eine Gesellschaft, die ausschließlich für Handelsunternehmungen gegründet worden war, herrschte über ein riesiges Kolonialreich in Indien.

Dies konnte nur geschehen, weil das mächtige islamische Mughal-Reich, das sich im 16. Jahrhundert auf dem Höhepunkt seiner Macht befunden hatte, zusammenbrach.
Die Herrschaft wurde weniger effizient und intolerant; es wurde dazu übergegangen, Hindu-Tempel zu zerstören und Steuern von Nicht-Muslimen zu erheben, was zum Ärger unter der Hindu-Bevölkerung führte und einige Prinzen dazu brachte, gegen das Reich und für die eigene Herrschaft zu rebellieren.
Aurangzeb, der letzte große Mughal-Kaiser war 1688 gestorben und in der Folge kämpften seine Söhne und Töchter gegeneinander um die Herrschaft über das Reich.

Die Engländer und Franzosen hatten bisher nur in den Randgebieten des Reiches an der Küste Handel getrieben, wurden jetzt aber in die Machtkämpfe zwischen den verschiedenen örtlichen Herrschern hineingezogen.
Hinzu kam der allgemeine Krieg, den Engländer und Franzosen überall auf der Welt gegeneinander führten.
In dieser turbulenten Situation kam es zu einer Krise in Bengalen aufgrund französischer Angriffe und eines Angriffes der britischen Armeen in Kalkutta. Robert Clive stellte eine Armee auf und erreichte 1757 in der Schlacht von Plessey, zusammen mit örtlichen Verbündeten, einen vollständigen Sieg für die englische Seite. Dadurch erhielten die Engländer die Kontrolle über ganz Bengalen, eine der größten Provinzen Indiens.
Dieser und andere zukünftige Siege gegen starke indische Herrscher waren weniger eine Folge besserer Waffen, als vielmehr eine Sache größerer militärischer Disziplin und Planung, die es ausgebildeten indischen Soldaten, den sogenannten Sepoys, erlaubte, mit relativ kleinen Trupps ganzer gegnerische Armeen zu schlagen.
Königliche Truppen wurden von den Briten ins Land gebracht. Dadurch war das britische Militär schließlich stärker und besser organisiert als jede Armee der Inder. Diese militärische Übermacht ermöglichte es den Engländern enorme Gewinne zu erzielen. Dabei setzten sie nicht mehr auf den Handel, der im Laufe der Zeit sehr reduziert worden war, als vielmehr auf die Besteuerung und Verwaltung Bengalens und anderer Gebiete Indiens.
Weitere Befürchtungen eines französischen Angriffs führten zum Aufbau eines Netzwerks von Bündnissen mit örtlichen Herrschern und zur britischen Beteiligung in deren Konflikten und Kriegen.
Warren Hastings wünschte sich mehr Stabilität und begann die Kontrolle der Briten auszuweiten, eine Politik, die den Bevollmächtigten der Handelsgesellschaft größere Möglichkeiten gab, Reichtum und Einfluss zu sammeln.
Nach und nach wurde ganz Süd-Indien unter britische Kontrolle gebracht und nach 1793 waren die Franzosen endgültig vertrieben worden.
Später führten die Feldzüge unter Wellesley 1816-1818 zum Sieg über die meisten der mächtigen Staaten, die England zuvor, direkt oder indirekt, die Kontrolle ermöglicht hatten. Der gesamte Kontinent, bis zum Punjab und nach Sind befand sich nun unter britischer Herrschaft.

Englische Kolonialherrschaft
Die britische Herrschaft in Indien war sehr komplex. Einige Gebiete befanden sich bis zur Eroberung durch die Briten immer noch im Besitz, der sogenannten Ost-Indien-Handelsgesellschaft, wie etwa Bengalen, Madras und Bombay. Ihre Angestellten regierten hier unmittelbar. In anderen Gegenden waren Prinzen auf ihrem Thron belassen worden. Voraussetzung dafür war die Unterzeichnung von Verträgen, mit denen sie die britische Vertreter und Truppen anerkannten.
Während des 19. Jahrhunderts wandelte sich die Ost-Indien-Handelsgesellschaft zu einer Art Ministerium, das an Stelle der englischen Regierung Indien verwaltete. Die Gesellschaft besaß das Monopol auf das gesamte Opium, dass in Bengalen wuchs und das mit großen Gewinnen nach China geschmuggelt wurde.
Die Briten ersetzen das Regierungssystem des Mughal-Reiches, aber sie versuchten kaum, die Bevölkerung zum Christentum zu überzeugen. Muslime und Hindus wurden gleich behandelt, örtliche Gesetze und Steuern wurden belassen. Eine sehr kleine Anzahl Engländer herrschte über Millionen von InderInnen, unterstützt durch eine Armee, die hauptsächlich aus Indern bestand und die mit lokalen Mitteln finanziert wurde. Die InderInnen leisteten zunächst keinen Widerstand, auch wenn sie jetzt höhere Steuern als jemals zuvor bezahlen mussten.

Die Haltung der Briten den InderInnen gegenüber änderte sich im Laufe der Zeit jedoch dramatisch. Während sich im 18. Jahrhundert InderInnen und EngländerInnen häufig noch mischten und die Briten die indischen Sprachen erlernten und teilweise die indische Kultur übernahmen, war das Bild im 19. Jahrhundert ein ganz andres. Inder wurden von Verwaltungsposten und öffentlicher Unterhaltung ausgeschlossen. Gleichzeitig entwickelte sich eine gesellschaftliche Arroganz gegenüber der indischen Bevölkerung. Es bestanden Vorurteile und gleichermaßen wurden kaum Versuche unternommen, die indische Kultur zu verstehen. Von britischer Seite wurde verstärkt auf die Christianisierung der InderInnen gedrängt. Der erste indische Aufstand gegen die britische Herrschaft entstand erst 1857 und es ist erstaunlich, dass dies nicht schon viel früher geschah.

Indien war der erste europäische Stützpunkt, der keine wirkliche Kolonie im eigentlichen Sinne war. Es war weder eine Siedlungskolonie, noch eine Handels- oder Plantagenkolonie. Indien war eine Kolonie, die durch Eroberung und ohne vorherige Planung entstand, beinahe durch Zufall. Nachdem England einmal die Kontrolle erhalten hatten, folgten weitere Eroberungen, um sowohl die Sicherheit der Kolonie auf dem Subkontinent, als auch in anderen Regionen zu sichern. Die Ausdehnung der Grenzen fand im Norden und Nordwesten, aber auch nach Südostasien und in den mittleren Osten statt.

6.6. Holländische Kolonisierung Ceylons und Javas

Die zweite wichtige Ausbreitung der europäischen Mächte in Asien wurde von den Niederländer während dieser Zeit vorangetrieben.
Konflikte mit dem Radscha von Kandy auf Ceylon führten zum Krieg und im Jahr 1765 besaßen die Niederländer die Kontrolle über die gesamte Insel. Sie verstärkten ihre Position auf Java und kontrollierten nach und nach alle Küstengebiete, in denen sie über die örtlichen Herrscher regierten. Sie verlangten Tribut von den Herrschern und zwangen die Einheimischen zur unbezahlten Arbeit.
Der Rest Indonesiens wurde kontinuierlich der holländischen Herrschaft einverleibt, auch hier in erster Linie durch Verträge mit örtlichen Herrschern.

6.7. Expansion im 19. Jahrhundert

Eine neue Phase in der Entwicklung der europäischen Kolonien fand im 19. Jahrhundert statt.
Im Pazifik und in Asien war durch das Engagement von Handelsgesellschaften, Handels- und Marinestützpunkten und Verträgen mit örtlichen Herrschern ein Netzwerk vielfältiger Verbindungen entstanden. Hinzu kam, dass die Kolonialmächte mittlerweile auch in dieser Region über die größere militärische Stärke auf dem Land und zur See.
Daher konnten auch relativ kleine europäische Nationen nun die Länder besiegen, die einmal große regionale Mächte gewesen waren.
Die sich aus diesen Konstellationen ergebenden Feldzüge und Eroberungen waren weniger bewusst von den Regierungen in Europa geplant worden, sondern ergaben sich oft aus einem Wechsel im Machtverhältnis der Kräfte, die die Kontrolle über die bereits vorhandenen Kolonien ausübten.

Russland breitete sich nach Zentralasien, bis zu den Grenzen von Afghanistan aus, und auch im fernen Osten wurden sibirische Gebiete der Amur-Provinz von China erobert. Keiner dieser Feldzüge war von der zaristischen Regierung geplant worden, sondern Vorstöße russischer Verwalter.

Russische Kolonien in Asien
Russland erkundete den nordpazifischen Raum auf dem Land und zur See seit dem 18. Jahrhundert. 1849 waren der nördliche Amur und die Küste von Sachalin erforscht und kleine russische Siedlungen wurden gegründet. Russland eroberte von China ein riesiges Gebiet an der pazifischen Küste und gründete als Stützpunkt den Hafen von Wladiwostok.
Im späten 19. Jahrhundert forderte die Regierung im großen Maßstab die Emigration von Siedlern in diese Gebiete. Die Einheimischen waren zu wenige und nicht stark genug, um Widerstand zu leisten.. Der Süden Sibiriens besaß Land, das sehr gut für die Landwirtschaft geeignet war und wohlhabende bäuerliche Gemeinden entwickelten sich innerhalb von kurzer Zeit.

England führte in gleicher Weise eine ungeplante Expansion durch, durch die Indien um mehrere Länder an der Nordwest-Grenze vergrößert wurde. Die Briten befürchteten weitere russische Bewegungen in diesem Teil des Kontinents und versuchten durch eigene Eroberungen den Vormarsch der Russen aufzuhalten. Probleme an anderen Grenzen führten zur Okkupation von Burma und Malaya. Getrennt davon wurde 1839-1842 gegen China Krieg geführt, um die Einfuhr von Opium nach China zu erzwingen. Den Briten wurde nach ihrem Sieg die Insel Hongkong als Wirtschaftshafen übergeben.

Holland hatte Teile Javas, die Banda-Inseln, Amboina und eine weitere Reihe Forts und Handelseinrichtungen kontrolliert. Um ihre Herrschaft festigen zu können, um Zinn und Kaffee produzieren zu können, um den Rebellionen lokaler Herrscher entgegen treten zu können und die Piraterie zu beenden, eroberten die Niederländer ganz Java, Celebes, Teile von Neu Guinea, Sumatra und die meisten der kleineren Inseln in der Region.

Die einzigen Besitzungen Frankreichs hatten zu dieser Zeit in kleinen Handelsstationen in Indien bestanden. Die französische Ausdehnung ergab sich aus der Verfolgung französischer Missionare durch die Herrscher von Annam. Der Versuch die in Südostasien tätigen Missionare zu schützen führte zu militärischen Interventionen und schließlich zur Besetzung Annams im Jahr 1860. Der Friedensvertrag sicherte den Franzosen drei Provinzen von Cochin, in denen zum Beispiel auch Saigon lag, und die Duldung französischer Missionare.
Der Druck, weitere Provinzen zu erobern, ging zunächst einmal von Missionaren aus, aber auch von Händlern, die ihren Handel ausweiten wollten. Auch wenn die Regierung in Paris sich zuerst sträubte, besaßen die Franzosen 1880 doch den Rest von Annam, Kambodscha, Cochin-China, Laos und Siam.

Die französische Kolonie in Kambodscha
Nach Jahren des inoffiziellen Kontakts durch Missionare und Forscher, erklärte Frankreich das Protektorat über Kambodscha. Die Franzosen hielten Kambodscha für ein zurückgebliebenes Land, dessen BewohnerInnen fügsam und rückständig waren und der Segnungen der französischen Zivilisation bedurften. Aber wie alle anderen Kolonialmächte auch, opferte Frankreich die Entwicklung des Landes seinen eigenen Interessen. Die Landreform von 1884 zum Beispiel machte zum ersten mal privaten Landbesitz möglich.
Dies erlaubte französischen Gesellschaften, große Anbauflächen der KambodschanerInnen in profitable Gummi-Plantagen umzuwandeln.
Das durch Steuern eingenommene Geld wurde für den komfortablen Lebensstil der Kolonialverwaltung verwendet, Investitionen in die Bildung der Bevölkerung wurden nicht getätigt.
Der Widerstand gegen die französische Herrschaft wuchs kontinuierlich unter den KambodschanerInnen und ausgedehnte Aufstände fanden 1885 und 1916 statt.

Im Pazifik hatte sich Australien eher unbeabsichtigt von einer kleinen Niederlassung zu einer britischen Kolonie entwickelt. Nach dem Verlust der Kolonien auf dem nordamerikanischen Kontinent durch den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, wurde in der Gegend des heutigen Sydney eine erste englische Strafkolonie gegründet.
Ohne Planung durch die englische Regierung dehnte sich das Siedlungsgebiet langsam aber stetig aus, da für die immer größeren Zahlen englischer Sträflinge Raum gebracht wurde. Schließlich bestand die Kolonie Australien aus riesigen Farmen in den landwirtschaftlich nutzbaren Regionen des Kontinents.
Von Australien aus vergrößerte England seine Gebiete durch Handel und Missionierung bis nach Neuseeland, das 1840 eingenommen wurde. Wie Australien wurde Neuseeland eine reine Siedlungskolonie, ebenso die Fidschi-Inseln, die kurze Zeit später erobert wurden.

6.8. Die "Endphase" der Kolonisierung

Die Endphase der Kolonisierung fand gleichzeitig in Afrika und im Pazifik statt. Sie war eine Folge der deutschen Entscheidung 1884-1885, eigene Kolonien zu erobern und der sich daraus ergebenden Teilung beider Regionen. 1890 waren die meisten Länder der beiden Gebiete zwischen den großen Kolonialmächten aufgeteilt worden.
Im Pazifik begann der Prozess mit der Erklärung Deutschlands, die Nordküste Neu Guineas und Samoas als Protektorat zu übernehmen. Später wurde diese Erklärung auch auf Neu Britannien ausgedehnt.
Der Eintritt Deutschlands in den Kreis der Kolonialmächte trieb die anderen Nationen dazu, sich nach weiteren Territorien umzusehen, um die deutschen Möglichkeiten zu beschränken. England besetzte den Südosten Neu Guineas und Frankreich die Inseln vor dem Wind. In Südostasien besetzte Frankreich außerdem Tongking und England den oberen Teil von Burma.
Das Ende der kolonialen Besetzungen im Pazifik war eine Folge des Krieges zwischen den Vereinigten Staaten und Spanien. Die Situation auf Cuba war Auslöser dieses Krieges. Die Vereinigten Staaten besetzten Manila und wurden dadurch zur imperialen Macht, die selbst Kolonien kontrollierte. Ebenfalls annektiert wurden Puerto Rico in der Karibik, sowie die Philippinen und Guam im Pazifik.
Danach wurde auch Hawaii besetzt, das schon länger zum amerikanischen Einflussgebiet gehörte.
Deutschland wurde gestattet, die übrigen spanischen Gebiete zu kaufen, die Karolinen, Mariannen und die Palau Inseln. Samoa wurde aufgeteilt in ein deutsches und ein amerikanisches Protektorat. England besetzte Tonga.

Die französische Kolonie in Vietnam
Ab 1860 begann Frankreich Indochina zu besetzen und stieß auf heftigen Widerstand der Bevölkerung, so dass es beinahe 30 Jahre dauerte, die Herrschaft zu sichern. Vietnam wurde in drei Provinzen aufgeteilt: Tonkin im Norden, Annam in der Mitte, und Cochin-China im Süden. Um chinesische kulturelle Einflüsse zu unterbinden, führten die Franzosen die Sprache Quoc Ngu ein, eine romanisierte Form des Vietnamesischen. Der französischen Herrschaft wurde ständiger Widerstand entgegengesetzt und 1920 gründeten sich die ersten nationalistischen Bewegungen. Eine kommunistische Partei wurde gegründet, geführt von Ho Chi Minh, die an der Beendigung des Kolonialismus arbeitete. 1945, nach der Niederlage Japans, leitete Ho Chi Minh einen allgemeinen Aufstand und die revolutionären Streitkräfte übernahmen die Kontrolle über das ganze Land.

China überlebte diese Phase der kolonialen Ausbreitung in dieser Zeit trotz der Schwäche der kaiserlichen Regierung. 1900 waren England, Russland, Frankreich, Japan, Deutschland, Italien, und Amerika einmarschiert und hatten das Recht erzwungen, Handel zu treiben und in internationalen Niederlassungen zu leben. Aber es gab keine territoriale Aufteilung, da die chinesische Regierung immer noch existierte, und unter anderem der "Boxer-Aufstand" zeigte die Stärke der patriotischen chinesischen Gefühle. Trotz aller Rivalität kamen die Kolonialmächte daher überein, dass es das beste sei, eine Politik der "offenen Türen" in China beizubehalten.

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