Tsingtau
(...)Der Stadtentwicklungsplan
von Tsingtau sah, im wesentlichen aus hygienischen Gründen, eine möglichst
strikte Trennung von europäischen und chinesischen Wohnvierteln vor. Die
Realität war jedoch zum Teil eine andere, da in den Anfangsjahren Tsingtaus
die Bebauung im chinesischen Händlerviertel Dabaodao am schnellsten voranschritt.
Europäer quartierten sich aus Mangel an anderen Möglichkeiten auch
dort ein. Im
Europäerviertel durften Chinesen bis 1911 nicht wohnen, sie konnten dort
zwar Grundstücke kaufen und Häuser bauen, was sie auch taten, diese
mußten sie aber an Europäer vermieten. Da aber die europäischen
Familien auf chinesische Angestellte angewiesen waren, wohnten de facto doch
Chinesen hier und waren zumeist in Nebengebäuden untergebracht. Für
viele Deutsche - vor allem für die Frauen und Kinder - war der Umgang mit
Koch, Boy und Amah (Kindermädchen) der fast einzige Kontakt mit Chinesen.
Aufgrund der Sprachbarriere gab es Mißverständnisse, und beide Seiten
hatten Schwierigkeiten, die Mentalität des anderen zu verstehen. Nicht
selten wurde die Dienerschaft gewechselt, meistens lautete der Vorwurf, sie
sei "betrügerisch". Vor allem benötigte es der Gewöhnung
an den sogenannten Squeeze, ein Aufgeld, das der Koch beim Einkaufen beanspruchen
durfte. Dies erforderte von der Hausfrau Taktgefühl.
Wurden
die monatlichen Rechnungen zu hoch, konnte sie sagen: "Du mußt geschickter
einkaufen, der Master kann nicht jeden Monat so viel bezahlen." Dann wurden
die Ausgaben im nächsten Monat bestimmt geringer. Sagte die Hausfrau aber:
"Du hast zuviel Squeeze gemacht", dann verlor der Koch sein Gesicht
und verließ sehr wahrscheinlich den Haushalt, was zur Folge hatte, daß
auch Boy und Kuli mitzogen, da der Koch in der Regel die Dienerschaft einstellte.
Die traditionelle Bauweise Nordchinas, sowohl in der Stadt als auch im Dorf,
war das nach innen gekehrte, ebenerdige Hofhaus, das zur Straße hin keine
Fenster hatte. Die zwei Arbeitersiedlungen in Tsingtau wurden nach diesem Vorbild
errichtet. In Dabaodao waren die Reihenhäuser überwiegend zweigeschossig
und entsprachen so der Bebauung der Geschäftsstraßen, wie sie in
Mittel- und Südchina üblich waren: die Geschäfte und Werkstätten
im Erdgeschoß, die Wohnung im ersten Stockwerk. (...)
aus: Alltagsleben im Schutzgebiet: Zivilisten und Militärs, Chinesen und
Deutsche, von Wilhelm Matzat
Deutsches Historisches Museum
http://www.dhm.de/ausstellungen/tsingtau/
Bildnachweis: ( oben links
- Postkarte ): http://www.hdg.de/lemo/objekte/pict/96002037/index.jpg
Gruß aus Kiao-Tschau
Postkarte, 1900
Deutsches Historisches Museum, Berlin