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1654, OAXACA

Medizin und Zauberkünste

Die Zapoteken waren, bevor sie auf die Erde fielen, bunte Singvögel, und sie haben Gonzalo de Balsalobre so manches Geheimnis erzählt. Nachdem er eine Zeitlang bei ihnen gelebt und viele religiöse und medizinische Geheimnisse erforscht hat, schreibt Don Gonzalo jetzt in Oaxaca einen detaillierten Bericht, den er nach Mexiko schicken will. In dem Bericht zeigt er die Indianer bei der Inquisition an und verlangt, dass sie die Quacksalbereien bestraft, mit denen die Mönche und die gewöhnlichen Gerichte nicht fertig werden konnten. Einige Zeit früher hat hier auch Bakkalaureus Alarcón neun Jahre lang gemeinschaftlich mit dem Stamm der Cohuicxo-Indianer zusammengelebt. Er machte sich mit den heiligen Kräutern bekannt, die Kranke heilen, und zeigte die Indianer dann wegen dämonischer Praktiken an.
Dabei hatte die Eingeborenenmedizin in der ersten Zeit der Eroberung große Neugier in Europa erweckt, und den Kräutern aus Amerika waren Wunderkräfte zugeschrieben worden. Der Mönch Bernardino de Sahagún hatte das Wissen acht aztekischer Ärzte zusammengetragen und publiziert, und König Philipp II. hatte seinen Leibarzt Francisco Hernandez nach Mexiko geschickt, damit er die ortsansässige Medizin gründlich studiere.
Für die Indianer besitzen die Kräuter Redegabe, Geschlecht und Heilkraft. Mit Hilfe des menschlichen Worts ziehen die unscheinbaren Pflänzchen die Krankheit aus dem Körper, fördern Geheimnisse zutage, renken Schicksale ein und machen, dass die Leute sich verlieben oder vergessen. In den Ohren des spanischen 17. Jahrhunderts, das mit Ketzergerichten und Teufelsaustreibungen beschäftigt ist, klingen dieselben Stimmen aus dem Erdreich hingegen wie Höllengejohle, und auf die magische Wirkung von Gebeten, Beschwörungsformeln und Talismanen vertraut man zu seiner Heilung mehr als auf Kräutersäfte, Abführmittel und Aderlässe.

aus: Eduardo Galeano, Erinnerung an das Feuer