1776, PHILADELPHIA

Die Vereinigten Staaten

England hat seine dreizehn Kolonien an der amerikanischen Atlantikküste nie sonderlich beachtet. Sie haben kein Gold, kein Silber, keinen Zucker - sie waren ihm nie unentbehrlich, und es hinderte sie nie am Wachsen. So lernten sie auf eigenen Füßen stehen, schon seit der Zeit, als die ersten Einwanderer das steinige Land betraten, das sie Neu-England nannten. Und der Boden war so hart, dass man die Saatkörner mit dem Gewehr in die Erde schießen musste. Inzwischen geht es den englischen Kolonien gar nicht schnell genug mit ihrer Entwicklung.
Die dreizehn Kolonien hungern nach dem Land im Westen. Viele Pioniere träumen von dem Sprung über die Mountains, zu dem sie nur eine Waffe, ein Beil und eine Handvoll Mais mitnehmen wollen. Aber die englische Krone hat die Grenze in den Bergkämmen der Apachen gezogen und alles Land dahinter den Indianern zugesprochen. Die dreizehn Kolonien hungern auch nach Welt. Ihre Schiffe befahren bereits alle Meere, aber die englische Krone schreibt ihnen vor, was sie einzukaufen und wo sie zu verkaufen haben.
Da zerreißen sie mit einem Ruck die Fesseln. Alle dreizehn Kolonien weigern sich, einem König auf einer so fernen Insel weiterhin ihren Tribut an Gehorsam und Geld zu leisten. Sie hissen ihre eigene Fahne, sie beschließen, sich Vereinigte Staaten von Amerika zu nennen, sie schwören dem Tee ab und küren dafür ihr landeseigenes Produkt zum Nationalgetränk. Alle Menschen werden gleich geboren, steht in der Unabhängigkeitserklärung. Die Sklaven, eine halbe Million Negersklaven, erfahren nichts davon.


aus: Eduardo Galeano, Erinnerung an das Feuer