1540 durchquerte Pedro de
Valdivia die Wüste von Atacama und gründete Santiago de Chile. Die
Eroberer drangen in den Chaco ein und entschleierten die Neue Welt von Peru
bis zur Mündung des wasserreichsten Stromes des Planeten.
Alles war unter den Eingeborenen Amerikas anzutreffen: Astronomen und Kannibalen,
Ingenieure und Wilde im Stadium der Steinzeit. Aber den Eingeborenenkulturen
war weder das Eisen oder der Pflug, das Glas oder das Schießpulver bekannt,
noch verwendeten sie das Rad, es sei denn in ihren rituellen Opferwägelchen.
Die Zivilisation, die sich auf diese Länder von der anderen Seite des Meeres
aus stürzte, machte gerade den schöpferischen Ausbruch der Renaissance
durch. Amerika wirkte wie eine weitere Erfindung, die sich zusammen mit dem
Schießpulver, der Druckerpresse, dem Papier und dem Kompaß der sprudelnden
Geburt der Neuzeit eingliederte. Der abgrundtiefe Unterschied in der Entwicklung
beider Welten erklärt die relative Leichtigkeit, mit der die Eingeborenenzivilisationen
unterworfen wurden. Hernán Cortés landete in Veracruz in Begleitung
von nicht mehr als 100 Matrosen und 508 Soldaten; er führte 16 Pferde,
32 Wurfmaschinen, 10 bronzene Kanonen und einige Musketen, Luntengewehre und
Pistolen mit. Francisco Pizarro betrat Cajamarca mit 180 Soldaten und 37 Pferden.
Das genügte ihm, obwohl die Hauptstadt der Azteken, Tenochtitlán,
damals fünfmal so groß war wie Madrid und ihre Bevölkerung das
Zweifache derer von Sevilla, der größten Stadt Spaniens, betrug;
Pizarro fand in Peru ein Heer von hunderttausend Indianern vor.
Die Eingeborenen wurden auch durch die Überraschung geschlagen. Der Kaiser
Moctezuma erhielt in seinem Palast die ersten Nachrichten: Ein großer
Hügel bewegte sich auf dem Meere fort. Andere Boten überbrachten später
die Nachricht:
"...großen Schreck verursachte ihm zu hören, wie die Kanone
erschallt, wie ihr Knall widerhallt und wie man ohnmächtig hinsinkt; die
Ohren werden davon betäubt. Und wenn der Schuß losgeht, bricht eine
Art Feuerkugel aus ihrem Innern hervor: Es regnet Feuer..." Die Fremden
bringen "Rehe" mit, die sie "so hoch wie Dächer" tragen.
Ihr Körper ist auf allen Seiten umhüllt, "nur ihr Gesicht ist
zu sehen. Es ist weiß, als ob es aus Kalk wäre. Ihr Haar ist gelb,
wenn es auch bei einigen schwarz ist. Lang ist ihr Bart...". Moctezuma
glaubte, es wäre der Gott Quetzalcoátl, der wiedergekommen sei.
Acht Vorzeichen hatten kurz vorher seine Rückkehr angekündigt. Die
Jäger hatten ihm einen Vogel gebracht, der auf dem Kopfe ein rundes Diadem
mit dem Aussehen eines Spiegels trug, auf dem der Himmel, mit der Sonne nach
dem Westen gerichtet, seinen Abglanz fand. Auf diesem Spiegel sah Moctezuma
die Horden der Krieger auf Mexiko losziehen. Der Gott Quetzalcoátl war
aus dem Osten gekommen, und nach dem Osten war er fortgezogen: er war weiß
und bärtig. Weiß und bärtig war auch Viracocha, der zweigeschlechtige
Gott der Inkas. Und der Osten war auch die Wiege der heldenhaften Vorfahren
der Mayas.
Die Rachegötter, die jetzt zurückkehrten, um von ihren Völkern
Sühne zu fordern, trugen Ritterrüstungen, Panzerhemden und glänzende
Schilde, an denen die Pfeilschüsse und Steinwürfe abprallten; aus
ihren Waffen brachen todbringende Strahlen, und sie verdunkelten die Luft mit
stickigen Dämpfen. Die Eroberer verstanden es auch, sich mit den Tlaxcalteken
gegen Moctezuma zu verbünden und die Teilung des Inkareiches zwischen den
verfeindeten Brüdern Huáscar und Atahualpa zu ihrem Vorteil auszunützen.
Sie verstanden es, unter den herrschenden Mittelkasten, den Priestern, Beamten
und Militärs, Helfershelfer zu gewinnen, sobald die höchsten einheimischen
Persönlichkeiten durch verbrecherische Akte ausgeschaltet waren. Aber sie
griffen auch zu anderen Waffen, oder, wenn wir es so wollen, andere, objektive
Faktoren wirkten zugunsten eines Sieges der Eindringlinge. Die Pferde und die
Bakterien zum Beispiel.
Die Pferde waren, wie die Kamele, ursprünglich in Amerika einheimisch gewesen,
aber sie waren in diesen Ländern ausgestorben. Nachdem sie von den arabischen
Reitern nach Europa gebracht worden waren, hatten sie in jenen Gebieten unermesslichen
Nutzen auf militärischem und wirtschaftlichen Gebiet geleistet. Als sie
im Verlauf der "Conquista" in Amerika wieder auftauchten, trugen sie
dazu bei, den Eindringlingen magische Kräfte in den Augen der Eingeborenen
zuzuschreiben. Atahualpa sah die ersten spanischen Soldaten auf feurigen, mit
Schellen und Federbüschen geschmückten Pferden herangaloppieren, die
mit ihren schnellen Hufen donnernden Lärm und Wolken von Staub hervorriefen.
Von Panik gepackt fiel der Inka rücklings zu Boden. Der Häuptling
Tecum köpfte, den Nachkommen der Mayas voranschreitend, mit seiner Lanze
das Pferd von Pedro de Alvarado und war fest davon überzeugt, dass dieses
zum Körper des Konquistadors gehört. Alvarado erhob sich und tötete
ihn. Eine geringe Anzahl von Pferden zerstreute, mit mittelalterlichem Kriegsgeschirr
behangen, die Massen der Eingeborenen und säte Schrecken und Tod. Im Verlaufe
des Kolonisierungsprozesses verbreiteten die Pfarrer und die Missionare unter
der phantasievollen einheimischen Bevölkerung die Kunde, dass die Pferde
heiligen Ursprungs waren, da Santiago, der Schutzpatron Spaniens, auf einem
weißen Schimmel ritt, der mit Hilfe der göttlichen Vorsehung gewaltige
Schlachten gegen die Mauretanen und die Juden gewonnen hatte.
aus: Eduardo Galeano, Die
offenen Adern Lateinamerikas