1. Die Heimat des Kautschuks
Der erste Kautschuk wurde vermutlich zuerst in Nordamerika entdeckt und aus
dem Guayulestrauch gewonnen. Ein anderer Kautschuklieferant wurde später
im Castillabaum in Mexiko gefunden.
Nach heutigen Begriffen sind die Kautschukarten Nord- und Mittelamerikas jedoch nur minderwertige Sorten. Die heute meistgenutzte, in vielen tropischen Ländern kultivierte Kautschukpflanze ist die Hevea brasiliensis, die, wie aus ihrem Namen entnommen werden kann, Südamerika zur Heimat hat. Dieser bis zu 20 Meter hohe Baum ist dort vor allem im Gebiet des Amazonas weit verbreitet. Es gibt jedoch auch noch sehr viele andere verschiedenartige Pflanzen, die Kautschuklatex führen. Sie sind fast auf der ganzen Welt verbreitet, vor allem aber innerhalb der tropischen Zonen.
Gewisse Arten sind Bäume gewaltigen Ausmaßes, wie die Heveen und die Ficusarten, andere bilden Schlinggewächse, wie die Landolphien, Wieder andere sind Sträucher, wie die Guayule, oder sogar nur Löwenzähne, wie die Kok-Sagys. Der überwiegende Teil des heute gewonnenen Naturkautschuks stammt von der Hevea brasiliensis, da, als die ersten Kautschukplantagen angelegt wurden, aufgrund ihrer überlegenen Eigenschaften die Wahl auf sie gefallen war.
2. Die Entdeckung des Kautschuks
Den Ureinwohnern von Amerika war der Kautschuk schon längst bekannt, bevor
die ersten Mitteilungen über diesen eigenartigen, mit keinem anderen Naturrohstoff
direkt vergleichbaren Stoff nach Europa gelangte.
Bei Ausgrabungen in Britisch-Honduras stieß man auf Ballspielplätze der Maya-Indianer aus dem 10. und 11. Jahrhundert und man fand hier Kautschukbälle von der Größe eines heutigen Fußballes. Der erste Europäer, der den Kautschuk in Händen hatte, war vermutlich Christoph Columbus. Nach dem berühmten Histographen Antonio de Herrera, der über die Eroberungszüge der Spanier berichtete, soll Columbus im Laufe seiner zweiten Amerikareise (1493 - 1496) Spiele der Eingeborenen kennen gelernt haben, bei denen Bälle aus einem elastischen Harz verwendet wurden, die "besser sprangen als kastilianische Windbälle".
Auch Cortez sah diese Spiele bei seiner Eroberung des Aztekenreiches (1519 - 1521) im Palast von Montezuma. Er bewunderte auch die blitzenden Zähne der Aztekenmädchen, was er dem Kauen einer bestimmten Gummiart zuschrieb.
Als die ersten kleinen Kautschukmengen aus Amerika nach Europa kamen, wurden sie auch von den damaligen "Wissenschaftlern" unter die Lupe genommen. Diese erklärten damals mit Bestimmtheit, dass diese Masse, der Kautschuk, ohne Zweifel von großer Heilkraft für die menschlichen Gebrechen sei: "Sie hat eine truckende, anhaltende, zusammenziehende und heilende Kraft, stärket den schwachen Magen, stillet das Erbrechen, bringet Appetit zum Essen und reiniget das Geblüt. Es hemmet die kalten Hauptflüsse und kräftiget das Gehirn; thuet gut der Brust und Lungen, vertreibet den langwierigen Husten, mindert das Seitenstechen und beeinträchtigt die Schwindsucht; es lindert auch die Zahnschmerzen und befestiget das scorbutische, lose Zahnfleisch." (aus "Kampf um Kautschuk" von Jünger W., 1940, Goldmann Verlag Leipzig)
Einige nützliche Verwendungsmöglichkeiten des Kautschuks lernte man jedoch erst 1615 aus dem Werk Juan de Troquemadas "De la monarquia indiana" kennen. Er beschrieb darin die Herstellung eines "Uléi" genannten Produktes, das von den Eingeborenen Mexikos aus dem Latex eines "Ule" genannten Baumes gewonnen wurde. Aus diesem wurden Fackeln, Gefäße, Schläuche und Kleidungsstücke gefertigt.
Das Interesse Europas an diesem Produkt wurde jedoch erst viel später durch die zwei französischen Gelehrten La Condamine und Fresneau geweckt. 1736 wurde La Condamine von der Pariser Akademie der Wissenschaft nach Südamerika gesandt, um dort einen Meridianbogen in der Höhe des Äquators zu vermessen. Während den acht Jahren, die er sich dort aufhielt, stellte er die verschiedensten naturwissenschaftlichen Beobachtungen an und sammelte seltene Pflanzen und Merkwürdigkeiten. Unter anderem sandte er auch einige Stücke einer dunklen harten Masse an die Akademie der Wissenschaften. Er berichtete, dass diese Masse von einem Baum stamme, den die Eingeborenen Hévé nennen. Bei einem bloßen Einschnitt in die Rinde entfließe ihm eine weiße, milchartige Flüssigkeit, die sich in der Luft nach und nach verhärtet und schwarz wird. La Condamine beschrieb gleichzeitig, wozu die Indianer diesen Stoff gebrauchen. Ferner berichtete er auch, dass der gleiche Baum an den Ufern des Amazonas wachse und die Indianer den daraus erhaltenen Stoff "caa-o-chu", tränendes Holz, nannten.
Zur selben Zeit hörte man auch von den Reisen des französischen Forschers und Ingenieurs Fresneau, der, von La Condamine angeregt, den Kautschukbaum in Französisch-Guayana bei den Coussaris entdeckte. In seinen Berichten beschrieb er den Kautschukbaum, sowie die Standorte des Baumes. Ebenso beschrieb er seine Nachforschungen nach dem Verfahren der Kautschukgewinnung. Von ihm stammen auch die ersten Vorschläge für eine praktische Nutzung dieses Rohstoffes.
3. So wird Kautschuk
gewonnen
Um
den Kautschuk zu gewinnen wird in die Rinde des Kautschukbaumes ein schräger
Einschnitt gemacht. Aus diesem Einschnitt fließt der Latex in ein, darunter
angebrachtes Gefäß. Bei jedem erneuten "Zapfen" wird wieder
ein Schnitt in die Rinde, etwa 1/2 mm unterhalb des ersten Schnittes gemacht.
Dies setzt man fort, bis man mit dem Zapfen bis fast am Boden angelangt ist
(begonnen wird auf 120 - 150 cm Höhe). Innerhalb von sechs Jahren, erneuert
sich die Rinde und gestattet ein erneutes zapfen an derselben Stelle. Durchschnittlich
darf jeder Baum etwa 165 mal im Jahr gezapft werden.
In Südamerika wollte man jedoch so schnell wie möglich möglichst viel Kautschuk gewinnen. Aus diesem Grund fällte man die kostbaren Bäume, da durch das Umschlagen der Milchfluss beschleunigt wird und man auf diese Weise am schnellsten die begehrte Kautschukmilch erhielt. Durch diesen Raubbau verloren Kolumbien und Panama ihre Bedeutung auf dem Kautschukmarkt. Auch in Brasilien wurde dieser Raubbau betrieben, doch war das Gebiet, in dem Brasiliens Kautschukbäume wuchsen, bedeutend größer.
4. Der Kautschuk kommt
nach Europa
Die ersten größeren Mengen Kautschuk erschienen in Europa mit der
Entwicklung des Handels zwischen Parà (heute Belèm) und Portugal.
1759 sandte die Regierung von Parà eine Ladung Kautschuk an den König von Portugal, die bei den Wissenschaftlern ein bedeutendes Interesse auslösten. Es bestand aber vorerst noch ein besonderes Problem. Der Latex konnte nämlich nicht in beliebiger Form transportiert werden. Die flüssige Gummimilch geht nämlich, sich selbst überlassen, rasch in Gärung über und koaliert (gerinnt) sehr bald. Es konnte nur die koalugierte Rohmasse nach Europa gesandt werden, die aber in dieser Form kaum eine Verwendungsmöglichkeit bot, da der Kautschuk nicht mehr verformt werden konnte.
Um die Verarbeitungsverfahren der Eingeborenen, die sich des Frischlatex bedienten, nachzuahmen, war es notwendig, ein Lösungsmittel ausfindig zu machen, nach dessen Verdunsten der Kautschuk seine ursprünglichen Eigenschaften wieder zurückerhält. Zunächst gelang es, die flüssige Kautschukmilch mittels Zusatz von Alkali haltbar zu machen. Man gab dies jedoch bald wieder auf, da es sich als unwirtschaftlich erwies, eine unverhältnismäßig große Totlast mitzubefördern. (Kautschukmilch besteht zu 60% aus Wasser, heute wird sie daher zentrifugiert.)
1761 entdeckten jedoch schließlich zwei französische Chemiker in Terpentin und Äther ein Lösungsmittel für geronnene Kautschukmilch. Aus dieser Lösung ließen sich mit Hilfe der schon bekannten Formtechnik wieder Kautschukgegenstände fertigen, indem man das Lösungsmittel verdunsten ließ.
Ein Aufschwung des Kautschuks entwickelte sich jedoch nicht dadurch. Da die Gegenstände aus Kautschuk sehr rasch alterten. Bei Einwirkung von Hitze wurden sie klebrig und von Kälte brüchig.
Eine besondere Eigenschaft des Kautschuks, durch seine hohe Abreibefähigkeit, Bleistiftstriche vom Papier zu entfernen, ohne dieses zu beschädigen, wurde 1770 zufällig vom englischen Mechaniker Nairne entdeckt. Kaum zwei Jahre später wurden auch schon kleine Kautschukwürfel in London und Paris als Radiergummis verkauft. Aus dieser Zeit stammt die, im englischen Sprachraum eingeführte Bezeichnung "rubber" für Kautschuk/Gummi. Dieser Ausdruck soll von dem bekannten englischen Chemiker Priestley stammen, der ebenfalls 1770 von dieser neuen Eigenschaft des Kautschuks berichtete.
1791 wurde von Samuel Peal ein Verfahren patentiert, in dem Kautschuk, der in Terpentin gelöst war, zur Herstellung von wasserdichtem gummierten Gewebe verwendet wurde. Aber trotz dieser an Peal erteilten Patente nahm die Fabrikation wasserdichter Gewebe erst 1823 einen gewissen Umfang an, als MacIntosh das wesentlich billigere Naphta als Lösungsmittel verwandte.
Formtechnik: Die Maya-Indianer überzogen z.B. irdene Flaschen mit Kautschuk. Sobald er fest geworden war, zerschlugen Sie die Form, entfernten sie durch den Flaschenhals und erhielten so leichte, unzerbrechliche Flaschen.
5. Die industrielle Entwicklung
Die erste Verarbeitung von Kautschuk auf fabrikatorischer Basis erfolgte 1823
durch MacIntosh, der mit Hilfe des Kautschuks wasserdichte Gewebe herstellte.
Die industrielle Verwendung des Kautschuks war zu dieser Zeit jedoch noch sehr
gering, da man noch mit zu vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.
1832 wurde die erste amerikanische
Fabrik, die Roxbury Rubber Company, von Chaffee und Hoskins errichtet. Sie erzeugte
in erster Linie imprägnierte Stoffe und Schuhe. Nach und nach nahm nun,
vor allem durch die inzwischen gemachte Erfindung der Mastikation, die industrielle
Verarbeitung einen bedeutenderen Umfang an. Unglücklicherweise wurden jedoch
1838 durch warmes Wetter alle Waren aus Kautschuk zerstört, was zu einer
Panik führte, während der Kautschuk weggeworfen oder verbrannt wurde.
Nachdem jedoch ein Jahr später, durch die, von Goodyear gemachte Erfindung
der Vulkanisation, dem Kautschuk viele seiner unangenehmen Eigenschaften genommen
worden waren, wurde das Interesse am Kautschuk wieder geweckt. Es begann ein
bedeutender und stetiger Aufschwung der Kautschukindustrie.
6. Die Suche nach neuen
Kautschukquellen
Nach der Erfindung der Vulkanisation wuchs die Nachfrage nach Kautschuk stetig.
Zu dieser Zeit kam der Kautschuk vor allem aus Kolumbien, Panama und Brasilien.
Da die Kautschukbäume Kolumbiens und Panamas unbarmherzig gerodet wurden,
um ihren Kautschukgehalt zu gewinnen, errang Brasilien bald eine einzigartige
Vormachtstellung.
Um nicht alleine von Brasilien abhängig zu sein, begann die Suche nach neuen Kautschukquellen. Schon 1789 hatte der Engländer Howison eine kautschukartige Liane in den Straits Settlement (südostasische Inseln der britischen Kronkolonien) entdeckt. Etwa um die selbe Zeit hatte auch Roxburgh die Ficus Elastica gefunden.
Von 1842 an ließ England
von Singapore Kautschuk der Ficus Elastica kommen und importierte 1860 aus Afrika
Lianenkautschuk. Diese Kautschukarten konnten jedoch nicht mit dem brasilianischen
Kautschuk in Konkurrenz treten. Die Ficus Elastica ist erst im 25. Jahr zapfbar
und kann nur jedes dritte Jahr bearbeitet werden. Sie hat
außerdem, wie auch der afrikanische Lianenkautschuk, eine bedeutend niedrigerer
Kautschukqualität als der brasilianische Kautschuk, der sich durch den
meisten und kautschukreichsten Milchsaft auszeichnet. Die brasilianische Vormachtstellung
blieb damit unangefochten.
Der Rohstoff Kautschuk wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts immer mehr zum begehrten
Material, so dass die Erträge an Wildkautschuk nach und nach in ein krasses
Missverhältnis zum Bedarf gerieten. Der Kautschuk wurde immer teurer und
auch in Brasilien wurde er durch die rücksichtslose Gewinnung immer seltener.
Gewissenlose weiße Händler zwangen die Eingeborenen mit Waffengewalt
immer weiter in den Urwald vorzudringen, um neuen Latex zu beschaffen.
7. Der Plantagenkautschuk
durchbricht die Vormachstellung Brasiliens
Durch die geglückte Einfuhr des Chinabaumes nach Ceylon und Indien ermutigt,
kam man in England auf die Idee, auch Kautschukpflanzungen in englischen Kolonien
mit entsprechenden klimatischen Bedingungen anzulegen. Dafür kam jedoch
nur eine Pflanzenart in Frage, von der einmal die höchsten Erträge
zu erwarten waren und die zum anderen den technisch wertvollsten Kautschuk lieferte,
die Hevea brasiliensis.
Der brasilianische Staat wollte hingegen eine derartige Entwicklung verhindern und tat alles, um sein Monopol zu erhalten. Die Ausfuhr von jungen Pflanzen und Samen wurde mit schweren Freiheitsstrafen bedroht, und zur Durchführung der Bestimmung fand eine genaue Kontrolle aller Schiffe an den Kautschukhäfen statt. Auf die Dauer konnte das brasilianische Monopol durch Gesetze und Zollmaßnahmen jedoch nicht geschützt werden.
1873 gelang es dem englischen Botaniker Robert Cross zum ersten Mal, 2'000 Stück Samen nach England zu schmuggeln. Es glückte zwar, ein Duzend davon zum Keimen zu bringen, doch gingen sämtliche Schösslinge auf dem Weg nach Kalkutta ein. Drei Jahre später gelang es dem englischen Pflanzer Henry Wickham, am 14. Juni 1876, unter Ausnutzung günstiger Umstände, die Zollblockade zu durchbrechen und ca. 70'000 Samen nach England zu bringen. Von diesen 70'000 Samen keimten rund 2'400 Stück. Noch im selben Jahr konnten 1'910 Schösslinge, hauptsächlich auf Ceylon und kleinere Mengen auch auf Burma, Java und Singapore, eingepflanzt werden. Die erste Ernte des Plantagenlatex wurde 1889 von den Bäumen des botanischen Gartens in Singapore gesammelt und ab 1900 erfolgte der erste Export von Plantagen-Kautschuk.
Das brasilianische Monopol war damit gebrochen und die Grundlage für den asiatischen Plantagenbau geschaffen. Wer jedoch an eine rapide Aufwärtsentwicklung des Plantagenkautschuks geglaubt hatte, wurde enttäuscht. Die Gründe dafür lagen darin, dass die Anforderungen, die der Plantagenanbau an die Pflanzer stellte, außerordentlich groß waren. Nur kapitalkräftige Unternehmer konnten es wagen, ein Produkt anzupflanzen, bei dem das angelegte Geld sechs Jahre zinslos liegen blieb. Mangel an Fachleuten, die Ungewissheit in der Preisgestaltung, Fehler in der Kultivierung, die vielleicht erst bei der Ernte bemerkt wurden; das alles waren hemmende Faktoren, die den Anbau ungünstig beeinflussten. Zudem besaß man keine Anhaltspunkte, ob das Plantagenprodukt überhaupt mit dem Wildkautschuk in Konkurrenz zu treten vermochte. Kaffee, Tee, Reis, Zuckerrohr und Tabak gaben den Pflanzern, solange sie denken konnten, ein angenehmes Einkommen, und man sah nicht ein, aus welchem Grunde diese sichere Rente plötzlich einer zweifelhaften, völlig unsicheren Kultur geopfert werden sollte.
Dies änderte sich jedoch grundlegend mit dem Katastrophenjahr 1904, als die Teepreise einen erschreckenden Tiefstand erreichten und auch Kaffee, Reis und Zuckerrohr die Erntekosten kaum zu decken vermochten. Nur die Kautschukplantagen warfen einen reichen Gewinn ab.
Inzwischen erlebte Brasilien seine Blütezeit. Der Bedarf an Kautschuk stieg ununterbrochen. Da die Nachfrage nicht mehr gedeckt werden konnte, begannen die Preise in phantastische Höhen zu klettern. Der Zustrom an Spekulanten erinnerte an einen Goldrausch. Expeditionen wurden sogar in ergiebigen Gebieten Boliviens gemacht.
Dies führte zu erbitterten Kämpfen mit bolivianischen Kautschuksuchern und schließlich mussten diese die Feststellung machen, dass ihnen nicht mehr wilde Arbeiterhorden, sondern kampferprobtes Militär gegenüberstand. Da Brasilien seine Truppen in kürzester Zeit auf dem Wasserweg ins Kampfgebiet werfen konnte, musste sich Bolivien geschlagen geben und durch den Vertrag von Petropolis hatte Brasilien endgültig sein Ziel erreicht: Es nahm das gesamte Gebiet bis Bahia, das in Cobija umgetauft wurde, in seinen Besitz.
Brasilien drohte in seinem
Reichtum fast zu ersticken. Paràs Einwohnerzahl war von 1890 bis 1913
von 50'000 auf 275'000 angewachsen und es besaß sogar eine Oper, in der
Künstler von Weltruf ihre Gastspiele gaben. 1910 hatte die Nachfrage den
Kautschukpreis auf rund 2'400 Franken pro 100 Kilo steigen lasse, doch 1913
sank
er auf ein Drittel davon. Die Ausdehnung der Plantagen in Asien hatte inzwischen
einen derartigen Umfang angenommen, dass ab 1911 die Produktion den Verbrauch
überstieg und einen rapiden Fall des Kautschukpreises nach sich zog.
In der Zwischenzeit hatte sich nämlich die Einstellung der Farmer durch das Krisenjahr 1904 grundlegend geändert und England hatte erhebliche Summen in die Plantagenwirtschaft investiert. In Brasilien wurde man sich jedoch anfangs der Ursache für den Preissturz nicht bewusst. 1913 überholte der asiatische Plantagenkautschuk erstmalig den brasilianischen Wildkautschuk (Brasilien 40'000 t, Plantagen 48'000 t). 1914 betrug die Menge des Plantagen-Kautschuks bereits 70'000 t, das waren 59% der gesamten Welterzeugung. Der Wildkautschuk hatte seine führende Stellung verloren.
Brasilien versuchte mit allen Mitteln zu retten, was noch zu retten war. Alle Maßnahmen schlugen jedoch an den schnell wachsenden Produktionsmengen der Plantagen fehl. Ebenso schnell wie der Aufstieg, kam der Abstieg Brasiliens. Nach dem ersten Weltkrieg sank der brasilianische Kautschukmarkt zur Bedeutungslosigkeit herab.
8. Die Geschichte des
Autoreifens
Die Erwähnung des Autoreifens im Zusammenhang mit der Geschichte des Kautschuks
ist insofern von Bedeutung, als vom Autoreifen ein immenser Impuls für
die Kautschukindustrie ausging.
1845 erfand Robert William Thompson den luftgefüllten Gummireifen. Seine Erfindung geriet jedoch zunächst in Vergessenheit. Obwohl in den 60er-Jahren Vollgummireifen aufkamen, dauerte es noch bis 1888, ehe Dunlop den Luftreifen von neuem erfand. Von nun an wurden zunächst die Fahrräder mit den neuen Luftreifen ausgerüstet und auch das, gegen Ende der 80er Jahre erscheinenden Motorrad wurde bald mit luftgefüllten Reifen versehen.
Die eigentliche Entwicklung wurde erst ausgelöst, als ab 1894 auch die Automobile mit den luftgefüllten Gummireifen ausgestattet wurden. Bis dahin erstreckte sich der Verbrauch von Kautschuk auf unzählige Artikel. Die nun einsetzende Entwicklung war so stark, dass bis 1930 der Anteil der Reifen am Kautschukverbrauch bis auf ca. 75% stieg!
9. Die Entwicklung ab
1900
Es war wirklich ein glücklicher Umstand, dass die Plantagen-Kautschukerzeugung
in dem Augenblick anzulaufen begann, als die Massenproduktion von Automobilen
einsetzte. Hatten schon die Vorkriegsjahre den asiatischen Plantagen einen gewaltigen
Aufschwung gebracht, so nahm diese Aufwärtsentwicklung während des
ersten Weltkrieges Formen an, wie sie bei noch keinem anderen Naturprodukt beobachtet
worden waren.
Die Rezession von 1911 war schnell vergessen und die äußerst günstige Marktlage ermunterte die Pflanzer zu ausgedehnten Neuanlagen von Plantagen. Während eines Zeitraumes von 4 Jahren (1914 - 1918) stieg die, unter Kultur befindliche Fläche von 800'000 auf 1'400'000 Hektar an.
Nach Beendigung des Krieges gerieten die Plantagen erneut in eine Krise. Die Hoffnung der Pflanzer, dass in einer Zeit des allgemeinen Wiederaufbaues der Wirtschaft ein neuer Ansturm auf Kautschuk einsetzen würde, erfüllte sich nämlich nicht. Die europäische Industrie lag nach dem Kriege brach und ihr geringer Bedarf war rasch gedeckt. Russland schied vom Weltmarkt für mehrere Jahre ganz aus, und der, für den Kautschuk bedeutsamste Abnehmer, die USA, hatten nicht nur bis zu seinem Kriegseintritt im Jahre 1917 ihren Bedarf gedeckt, sondern davon auch noch Heereslieferungen an die Alliierten durchgeführt.
Die Kautschukpreise fielen rapide und verzeichneten 1922 einen neuen Tiefstand von 250 Mark für 100 Kilogramm Kautschuk.
Großbritannien, das sich mit den Niederlanden das Kautschuk-Monopol teilte, bemühte sich, die Preise wieder zu heben und führte 1922 den Stevensonplan durch, der das Produktions- und Exportkontingent jedes einzelnen Pflanzungsunternehmers festlegte. Die Kautschukerzeugung jeder Plantage wurde auf eine bestimmte Quote festgelegt. Ein höherer Export wurde durch eine unübersteigbare Zollmauer zurückgehalten. Fürs erste war die Aktion durchaus erfolgreich. Die Ausfuhr nahm ab und die Preise zogen an.
Nach gutem Anlaufen des Planes bis 1925/26 konnte er nur unter Schwierigkeiten erhalten werden, weil 40% der Kautschukproduzenten, vor allem die Niederländer, ihre Mitarbeit verweigerten. Sie benutzten die Einschränkungen, die sich die Engländer auferlegt hatte, um ihre eigenen Plantagen auszuweiten.
Durch diese Produktionsausweitungen und den Hinzutritt neuer Erzeuger von Plantagenkautschuk (Indochina, Siam) kam es zu einem neuerlichen Preissturz. Dieser wurde zudem durch die Wirtschaftskrise, die Amerika 1929 erschütterte, beschleunigt.
Die Krise führte zu einer Verständigung zwischen England und den Niederländern. 1934 wurde ein Kautschukmonopol errichtet, dem die Restriktionsländer Malaysia, Niederländisch-Indien, Nordborneo, Ceylon, Indochina, Siam, Burma, Britisch-Indien und Sarawak angehörten. Die Ausfuhrkontingente der einzelnen Länder wurde durch das, dazu gegründete International Rubber Regulation Committee (IRRC), festgelegt und die Anlagen und Vergrößerungen von Pflanzungen kontrolliert. Die Ausfuhr von Pflanzen wurde nur innerhalb der Restriktionsländern erlaubt, um die Anlage neuer Kautschuk-Plantagengebiete zu verhindern.
Die Kautschukabnehmer und vor allem der Hauptabnehmer Amerika waren nicht gewillt, sich dem englisch-niederländischen Monopol unterzuordnen. Die Notwendigkeit einer direkten Beteiligung an der Kautschukerzeugung war schon nach dem ersten Weltkrieg erkannt worden. Die USA versuchten auch sofort die, zu dieser Zeit gerade herrschende Krise bei den Kautschukplantagen für sich auszunützen, indem sie Plantagen, vor allem in Niederländisch-Indien, zu günstigen Bedingungen aufkaufte. Die holländische Regierung durchschaute allerdings das amerikanische Manöver und erschwerte den Erwerb von Plantagen und dafür geeigneter Länderein derart, dass es für die Amerikaner praktisch unmöglich wurde, in ihren Besitz zu gelangen.
Nachdem der Erwerb von fremdem Boden gescheitert war, wandten sich die USA ihren Kolonien und anderen wirtschaftlich abhängigen Gebieten zu. Vor allem auch durch den Restriktionsplan von Stevenson verärgert, gegen den Amerika schärfsten protestiert hatte, machte man sich in den USA umso fester an die Aufgabe, eigene Plantagen zu errichten.
Im Jahre 1927 machten zwei amerikanische Automobil-Industriekonzerne den Anfang. Ford legte am Rio Tapajotz (Nebenfluss des Amazonas) in Brasilien zwei riesige Pflanzungen an und Firestone in Sumatra, der Malaiischen Halbinsel und vor allem auch in Liberien. Die Unternehmen Fords und Firestone scheiterten jedoch am sinkenden Kautschukpreis und am Mangel an Arbeitskräften.
Neben den Vereinigten Staaten haben auch andere Länder Kautschukplantagen angelegt. Frankreich war in der glücklichen Lage, fast seinen gesamten Kautschukbedarf aus seinen Kolonien zu decken. Belgien brachte seit 1927 aus seinen Kongo-Kolonien Plantagenkautschuk auf den Markt. Japan und Italien erwarben eigene Kolonien.
Alle Kautschukverbrauchenden Staaten strebten danach, sich eigene Plantagen zu verschaffen. Trotz allem war es jedoch nicht möglich, die durch den Vertrag von 1934 erstarkten Engländer und Niederländer um ihre Vormachtstellung zu bringen. Nach dem Abkommen von 1934 festigte sich der Kautschukmarkt allmählich und die Preise stiegen wieder auf normale Werte.
Erst nach dem zweiten Weltkrieg
sollten jedoch England und die Niederlande ihr Monopol verlieren - auf der einen
Seite verloren sie nach und nach ihre Kautschukgebiete und andererseits sollte
der asiatische Raum, bzw. der Plantagenkautschuk überhaupt seine Vormachtstellung
einbüssen - durch ein künstliches Produkt: den
synthetischen Kautschuk!
aus: Hans-Dieter Feger,
Innsbruck, März 1973
www.ballon-mueller.ch