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1628, CHIAPAS
Der Bischof und die Schokolade
Er
tut keinen schwarzen Pfeffer daran, wie es die an der Leber Frierenden zu tun
pflegen. Er rührt auch keinen Mais unter, denn der bläht. Er streut
statt dessen reichlich Zimt darüber, denn der wirkt harntreibend, verbessert
das Augenlicht und stärkt das Herz. Auch mit fein gemahlenem Chili spart
er nicht, und er gibt Orangenblütensud, weißen Zucker und Orlean
zu, weil das dem Getränk Farbe gibt. Und nie vergisst er eine Handvoll
Anis, zwei Handvoll Vanille und das Rosenpuder aus Alexandria.
Pater Thomas Gage schwärmt für gut zubereitete, schäumende Schokolade.
Gebäck und Marzipan schmecken schal, wenn sie nicht in Schokolade getunkt
sind. Am Vormittag braucht er eine Tasse Schokolade, um den Tag durchzustehen,
nach dem Essen eine zweite, um sich von der Tafel zu erheben,
und schließlich eine letzte, um den Abend zu verlängern und die Müdigkeit
fernzuhalten.
Trotzdem trinkt er seit seiner Ankunft in Chiapas keinen Schluck. Sein Magen
verlangt danach, aber Bruder Thomas vegetiert gern unter Schwindel- und Ohnmachtsanfällen
dahin, wenn er damit nur dem Unglück entgehen kann, das Bischof Bernardo
de Salazar das Leben gekostet hat.
Bis vor kurzem noch gingen die Damen der Stadt mit einem Gefolge von Pagen und
Mägden zur Messe, die außer dem samtbezogenen Betschemel auch Kohlebecken,
Tiegel und Tässchen zur Schokoladenbereitung zu tragen hatten. Wegen ihres
schwachen Magens konnten die Damen ohne das heiße Lebenselixier nicht
die Gebete der stillen Messe und erst recht nicht das Hochamt durchhalten. So
war es jedenfalls, bis Bischof Bernardo de Salazar ihnen die Sitte zu verbieten
entschied, weil sie damit solchen Lärm und Wirrwarr in die Kirche brachten.
Die Damen rächten sich. Eines Morgens lag der Bischof tot in der Kurie.
Zu seinen Füßen fand man Scherben einer Schokoladentasse, die ihm
jemand serviert hatte.
aus: Eduardo Galeano, Erinnerung an das Feuer
Bildquelle: http://www.infozentrum-schoko.de