Teegeschichte(n)

,,Ich schickte nach einer Tasse Tee, einem chinesischen Trank, wovon ich niemals vorher getrunken hatte" vermerkt Samuel Peppy 1660 in seinem berühmten Tagebuch und ist damit ziemlich spät dran. Immerhin ist bereits ein halbes Jahrhundert vergangen, seit die Holländer die erste Kiste Tee in Amsterdam entluden. Was lediglich heißt, dass die Holländer ziemlich spät dran waren, denn der erste Europäer, der je eine Tasse Tee trank, war zu diesem Zeitpunkt bereits 186 Jahre tot (was nicht an jener Tasse Tee lag).
Dass Marco Polo über Tee nichts anderes zu berichten wusste, als dass die Erhöhung der Teesteuern den chinesischen Finanzminister das Amt gekostet hatte, verwundert wenig. Die Chinesen pflegten den Tee wie eine Suppe aufzukochen und mit Milch und Salz zu würzen. Es vergingen also noch mal drei Jahrhunderte, bis die Europäer begannen, sich ernsthaft für Tee zu interessieren - einschließlich des Tricks mit den Steuern. Mit fatalen Folgen für die Briten: nach dem Protest in den amerikanischen Kolonien gegen die Teesteuern (Boston Tea Party) war die Unabhängigkeit nicht mehr zu verhindern.
Wann die Chinesen entdeckten, dass man aus der Teepflanze ein Getränk herstellen kann, ist nicht klar, aber bereits im 8. Jahrhundert füllte das Wissen über Tee ein zehnteiliges Handbuch - Erfahrungen aus rund 1000 Jahren Teekultur, was bedeutet, dass die Chinesen bereits 200 v. Chr. mit Tee umzugehen wussten.
Nicht einmal 400 Jahre alt ist die Teekultur in Europa. "Da der Tee bei manchen Leuten in Gebrauch zu kommen beginnt, erwarten wir mit jedem Schiff einige Kisten sowohl chinesischen wie japanischen Tees" schreiben am 2. Januar 1637 die Direktoren der Holländischen Ostindien Gesellschaft an den Generalgouverneur in Batavia (Djakarta) auf Java. Ein sich anbahnendes Geschäft, das die britische East India Company den niederländischen Erzrivalen natürlich nicht gönnte.
Während in Europa der Tee zunächst ganz langsam bei Hof Einzug hielt, wurde er in Großbritannien in kürzester Zeit zum Volksgetränk. Um 1740 gab eine durchschnittliche Arbeiterfamilie 5 % ihres Einkommens für Tee aus. Um 1800 importierte das Land pro Jahr 20 Millionen Pfund. Eine Menge, die gar nicht so leicht zu beschaffen war: China legte keinerlei Wert auf den Besuch neugieriger Ausländer. Im 15. Jahrhundert hatte ein Prozess der Abschottung begonnen, der fast vier Jahrhunderte dauern sollte.
Nur in Kanton durfte ein kleine Gruppe chinesischer Kaufleute, die Hongs. mit den Europäern Handel treiben. Die Geschäfte wurden meist direkt an Bord der Schiffe abgewickelt, nur wenige Ausländer betraten überhaupt das Festland. Das erklärt vielleicht auch, warum fast 200 Jahre lang kein Europäer irgend etwas über Teeanbau und Verarbeitung wusste und ihnen erst nach und nach auffiel, was die Chinesen alles untermischten. um den Tee zu strecken. Dabei ging es allerdings nicht nur um den Profit. anders wäre der ständig wachsende Bedarf gar nicht zu decken gewesen. Und eine dieser Teevarianten erfreut sich noch immer größter Beliebtheit: der heute mit Bergamotte aromatisierte Earl Grey ist nichts anderes als der früher mit Pflanzenteilen verschiedener Zitrusfruchtarten gestreckte Tee.
Die Briten hatte andere Sorgen: Die Handelsbilanz. An europäischen Waren nämlich waren die Chinesen nicht interessiert. das meiste stellten sie selbst besser und schöner her. Knapp waren dagegen die Rohstoffe, vor allem Silber. und nur das akzeptierten sie als Zahlungsmittel. Doch Silber war auch in Großbritannien rar und teuer und die Teepreise konnte man nicht ständig erhöhen. Bei der East India Company suchte man verzweifelt nach einer Lösung.

Opium für's Volk
Opium war in China beliebt und entsprechend verbreitet. Man wusste aber auch um die Folgen, weshalb die Regierung 1729 Opiumkonsum und -handel unter schwere Strafe stellte.
Opium war aber ein Stoff, über den die East India Company - im Gegensatz zu Silber - reichlich verfügte, denn in Indien gedieh der weiße Mohn prächtig. Ein grandioses Geschäft bahnte sich an! Die East India Company, die in Britisch-Indien die Regierungsgewalt hatte, begann die Opiumherstellung zu fördern, inoffiziell versteht sich. Phasenweise fanden fast eine Million Inder Arbeit in der Opiumgewinnung.
Die fertigen Opiumkuchen wurden auf Auktionen in Kalkutta verkauft und von lokalen Händlern auf die Insel Lintin in der Bucht von Kanton gebracht. Chinesische Schmuggler übernahmen die Fracht und bezahlten bar: In Silber. Damit kehrten die Händler nach Kalkutta zurück und verkauften es an die East India Company, die es ihrerseits nach England verfrachtete. Und so hatten denn die Teeklipper, wenn sie im Dezember oder Januar die Leinen an den Docks in London losmachten, stets genug Silber an Bord, um in Kanton ganz legal Tee zu kaufen.
Um zu begreifen, welche verheerenden Folgen das Opium in China gehabt haben muss. braucht man sich nur die geschmuggelten Mengen ansehen. Als Arzneimittel (die schmerzstillende Wirkung war seit langem bekannt) ließ die Regierung jährlich 3000 Pfund importieren. Die Briten verkauften bis zu 3 Millionen Pfund pro Jahr an die Chinesen. Opium wurde zur Volksdroge, alle Versuche der Regierung den Schmuggel einzudämmen, scheiterten zunächst, denn zu viele verdienten daran, zu viele Beamte hatten sich längst kaufen lassen. Bis auf Kommissar Lin Tze-su.
1839 entsandte der Kaiser Kommissar Lin Tze-su nach Kanton, um einen neuerlichen Versuch zu unternehmen, den Opiumhandel mit den Briten zu unterbinden. Lin ließ die chinesischen Lager auf dem Festland einfach in Brand stecken; ein Jahresvorrat Opium ging in einer einzigen Nacht in Flammen auf. Die Briten fanden die Aktion von Kommissar Lin zwar lästig, ließen sich aber sonst nicht stören. Doch Lin Tze-su war nicht zu stoppen.. wo immer Opium entdeckt wurde, ließ er es sofort verbrennen, britische Seeleute ließ er ins Gefängnis werfen, chinesische Schmuggler auch foltern.
Diese Situation konnte die East India Company nicht mehr einfach hinnehmen. zumal noch ein weiteres Problem die Geschäfte schwer belastete: 1833 hatte das britische Parlament das Wettrennen um die Märkte in Südostasien eröffnet. Die Briten brauchten also den Zugang zu anderen chinesischen Häfen, Wettbewerb und Freihandel waren die neuen Zauberworte. Kommissar Lin musste also unter allen Umständen gestoppt werden.1840, ein Jahr nachdem Lin im Kampf gegen den Rauschgiftschmuggel ernst gemacht hatte, griff die britische Marine ein, der Opiumkrieg hatte begonnen. Als sich die Chinesen zwei Jahre später geschlagen gaben, war ein Weltreich zerbrochen. Die Chinesen mussten ihr Land den Fremden öffnen, hohe Entschädigungssummen zahlen und Hong Kong an die Briten abtreten.

Aufbruch nach Assam oder die Spione ihrer Majestät
Das Jahr 1839 brachte nicht nur in China die Wende im Teehandel. Im Januar diesen Jahres machte die ,,Calcutta" in Londoner Hafen fest und wenig später wurden an der Teebörse in der Mincing Lane die ersten 12 Kisten indischen Tees versteigert. Das Chinamonopol war endgültig gebrochen, die Versorgung mit dem wichtigsten britischen Grundnahrungsmittel konnte nun im Empire sichergestellt werden.
Wie waren aus den Teehändlern auf einmal auch Teeanbauer geworden? Die Abhängigkeit vom Chinaimport hatte die Branche schon lange beunruhigt. 1780 hatte zum ersten Mal ein Kapitän der East India Company nicht nur Tee in Kanton geladen, sondern auch Teesamen an Bord geschmuggelt. Doch die Versuche. daraus im botanischen Garten in Kalkutta Teepflanzen zu ziehen, schlugen fehl.
1823 kam dann eine sensationelle Nachricht aus Manipur, im Grenzland zwischen Assam und Birma: dort wachse, so berichtet der britische Major und Hobbybotaniker Robert Bruce, der Tee überall wild, nicht der chinesische, sondern eine andere Art, die von den Experten in Kalkutta als Thea assamica registriert wurde.
Die Teepflanzen allein nützten den Briten allerdings wenig, hatten sie doch bis dahin keine Ahnung, wie man die Pflanzen anbauen und die Blätter bearbeiten muss, um schließlich daraus gebrauchsfertigen Tee zu bekommen. Teespione lösten das Rätsel im Namen ihrer Majestät.
Am 24. Januar 1834 gründete Lord William Bentnick, Generalgouverneur von Kalkutta, ein Teekomitee, das die Aufgabe hatte, das chinesische Monopol zu brechen. Wenig später schifften sich sein engster Mitarbeiter und der Leiter des botanischen Gartens von Kalkutta nach Kanton ein, um Teepflanzen nach Bengalen zu schmuggeln und heimlich Chinesen anzuwerben, die mit dem Teeanbau vertraut waren. Die Mission glückte, das Ergebnis der ersten Anbauversuche des Teekomitees waren jene 12 Kisten Tee, die vier Jahr später auf die Reise nach London gingen.

Bitterer Tee
Die Zeit war reif für den Aufbruch nach Assam. Ab 1839 startete die neu gegründete Assam Company eine Rekrutierungskampagne. Viele Freiwillige meldeten sich, meist pensionierte Offiziere und kleine Händler. Ohne Kenntnisse über Teeanbau, aber mit der Hoffnung auf schnellen Reichtum brachen sie auf in die Sumpf- und Dschungelgebiete von Assam.
Unter primitivsten Bedingungen wurden riesige Waldflächen gerodet und Plantagen angelegt, Krankheiten grassierten, Malaria, Cholera. Gelbfieber und Ruhr. Am schlimmsten setzten sie den Arbeitern zu, Indern, die zu Tausenden aus dem Flachland Bengalens nach Assam gelockt und dann wie Sklaven gehalten wurden. Anders als die Pflanzer, die recht bald in vergleichsweise komfortablen Bungalows residierten, hausten die Teearbeiterfamilien in Hütten auf sumpfigem, moskitoverseuchten Gelände, ohne sauberes Wasser und ausreichende Nahrung. oft über Wucherkredite in Abhängigkeit gehalten. Bedingungen. die durchaus bekannt waren im Teegewerbe, man verglich die Plantagenbesitzer offen mit den Sklavenhaltern der Südstaaten und sprach vom bitteren Tee aus Assam. Erst um 1930 verbesserten neue Gesetze die Arbeitsbedingungen für die Kulis auf den Plantagen.

Kaffeerost als Wegbereiter - Tee in Sri Lanka
Kleine, ölig-gelbe Flecken auf der Blattoberseite, die schnell größer werden und sich orange und schließlich rot färben. Schwarze Pusteln auf der Blattunterseite, bis das kranke Blatt abfällt und schließlich die Pflanze stirbt. Die Kaffeepflanzer werden sofort gewusst haben, welche Krankheit da ihre Pflanzungen befallen hatte: Kaffeerost.
Mit der Pilzerkrankung kam das Ende für Ceylon als Kaffeeinsel. Dass Sri Lanka heute das zweitgrößte Teeexportland der Welt ist, hat mit jenem unternehmungslustigen Dr. Wallich, Direktor des botanischen Gartens in Kalkutta zu tun, der 1834 Teepflanzen nach Indien schmuggelte.
In Sri Lanka wuchs, anders als in Assam, Tee nie wild. Klimatisch aber müsste die Insel geeignet sein, dachte sich der Direktor des botanischen Gartens in Kalkutta und schickte 1839 Teepflanzen an Kollegen in Kandy. Der Tee gedieh prächtig, doch die Plantagenbesitzer schworen weiterhin auf Kaffee - noch fast 20 Jahre lang, bis plötzlich der Kaffeerost eine Kaffeeplantage nach der anderen zerstörte. Seither ist Sri Lanka eine Teeinsel.
Heute wächst Tee auf drei Kontinenten. Nach ihren Anbauerfolgen in Assam und Ceylon brachten die Briten den Tee (samt indischer Plantagenkulis) auch in ihre afrikanischen Kolonien, wo er heute noch ein wichtiges Exportprodukt ist. Die Blätter für amerikanischen Eistee stammen dagegen überwiegend aus Argentinien.
Weltweit ist Tee nach Wasser das wichtigste Getränk, rund um den Globus werden 500 Millionen Tassen und Gläser Tee getrunken - täglich.

aus: Transfair-Broschüre, "Tee", Marianne Landzettel