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Bereits die römischen Eroberer verwalteten die eroberten Länder nach dem Grundsatz "Teile und Herrsche".
Die Kolonialmächte organisierten ihre Herrschaft in den Kolonien in derselben Weise, um den Widerstand der Eroberten aufzusplittern. Wenn sich alle Ureinwohner einer Kolonie gleichermaßen unterdrückt fühlen, kann bei den Unterdrückten relativ schnell die Einsicht wachsen, in gemeinsamen Widerstand gegen die Eroberer aufzustehen. Um diese Gefahr zu vermindern, brauchten die Kolonialmächte nichts weiter zu tun, als bestimmte Volksgruppen, oder bestimmte soziale Schichten zu bevorzugen und ihnen gewisse Privilegien zu verschaffen. Besonders wirksam war dieses System des Teilens und Herrschens in Afrika, wo in den besetzten Gebieten häufig mehrere Volksgruppen in mehr oder weniger friedlicher Koexistenz gelebt hatten.
In den englischen und französischen Kolonien West- und Ostafrikas war es die Regel, dass die Angehörigen bestimmter Volksgruppen zu bestimmten, vorteilhaften Arbeiten, wie Verwaltungs- und Aufsichtsaufgaben, herangezogen wurden. Oft wurden diesen Stämmen und Volksgruppen im Nachhinein bestimmte "natürliche" Fähigkeiten zugesprochen - dieser eine Stamm sei besonders für anspruchsvolle Arbeit geeignet, jener andere sei allenfalls für stumpfsinnige körperliche Arbeit einsetzbar.
Diese Zuschreibungen sind natürlich ähnlich absurd wie Behauptungen, alle Deutschen seien fleißig, alle SpanierInnen seien hervorragende TänzerInnen und alle EngländerInnen könnten nicht kochen.
Hatten sich diese Zuschreibungen allerdings erst einmal in den Köpfen der Eroberer festgesetzt, führte dies zu einer Verstärkung dieser Prozesse. Dies mündete beispielsweise darin, dass für die Aufstellung einer Kolonialarmee nur Angehörige eines angeblich aggressiven Stammes rekrutiert wurden, oder dass nur Kinder eines bestimmten, angeblich "intelligenten" Stammes die Schule besuchen durften.
Diese Bevorzugung hat ihre Auswirkungen bis in die heutige Zeit. In vielen Ländern wurde nur eine bestimmte Volksgruppe, die eine gute Ausbildung besaß, entsprechend bei der Vorbereitung der Unabhängigkeit vorrangig als Träger der neuen Regierung angesprochen und gefördert. Damit wurden das vor den Kolonisierung bestehenden Gleichgewicht zwischen den Stämmen und Völkern empfindlich gestört. Es entstanden Konflikte die teilweise in Bürgerkriege ausarteten.

Ein weitere Möglichkeit die sozialen Strukturen zu stören, bestand in der Bevorzugung bestimmter sozialer Schichten. Besonders im späten 19. Jahrhundert und in den deutschen Kolonien war es üblich, die einheimischen Vorsteher eines Dorfes an den Tribut- und Steuereinnahmen zu beteiligen, oder ihnen zwangsverpflichtete ArbeiterInnen zuzuteilen.
Durch diese und ähnliche Maßnahmen konnten die Autoritäten eines Dorfes oder eines Stammes dazu gebracht werden, sich den Kolonialherren zuzuwenden. Andererseits wurde die Wut der Bevölkerung zu einem Teil auf ihr Oberhaupt gelenkt, und nicht auf die Vertreter der Kolonialmacht.

Eine weitere Möglichkeit war, ganze Stämme zum Kampf gegeneinander aufzustacheln, wie es praktisch während der gesamte Geschichte der Eroberung Nordamerikas der Fall war. Sowohl Engländer, als auch Franzosen sicherten sich indianische Verbündete, die einerseits den Europäern einen Teil des Kampfes und der Verluste abnahmen und andererseits das Potential des indianischen Widerstandes nach dem Sieg einer Seite halbierte.
Auch die U.S.-Amerikaner bedienten sich indianischer Scouts, und fast durchgängig der sogenannten "Buffalo-Soldiers", Einheiten freigelassener Sklaven, in den Kriegen gegen die Indianer. Nach den Indianerkriegen verschwanden sowohl die indianischen Scouts als auch die Buffalo-Soldiers, möglicherweise mit einigen Orden behangen, in der Versenkung.