214
1753, SIERRA-LEONE-STROM
Lobsinget dem Herrn
Gott offenbarte sich unter
Blitzezucken. Kapitän John Newton bekehrte sich zum Christentum, nachdem
ein plötzliches Unwetter in einer ansonsten durchsoffenen und durchfluchten
Nacht sein Schiff um ein Haar in den Grund gebohrt hätte. Seitdem ist Newton
ein Auserwählter Gottes. Allabendlich predigt er. Vor jeder Mahlzeit betet
er, und jeden Tag beginnt er mit dem Absingen von Psalmen, die seine Mannschaft
heiser nachröhrt. Am Ende jeder Fahrt zahlt er in Liverpool dem Allerhöchsten
eine Messe zur ganz besonderen Danksagung.
Während er an der Sierra-Leone-Mündung auf eine Schiffsladung wartet,
verscheucht er Ängste und Moskitos und betet zu Gott, dass er seine Hand
über das Schiff African und seine Besatzung hält und dafür sorgt,
dass die Fracht, die sie bald an Bord nehmen werden, auch heil in Jamaika ankommt.
Kapitän Newton ist wie zahllose Berufskollegen im Dreieckshandel zwischen
England, Afrika und den Antillen tätig. In Liverpool laden sie Tuch und
Schnaps, Gewehre und Messer, und an der afrikanischen Küste tauschen sie
die Ware gegen Männer, Frauen und Kinder ein. Dort nehmen die Schiffe Kurs
auf die karibischen Inseln, wo sie die Sklaven gegen Zucker, Sirup, Baumwolle
und Tabak eintauschen. Und diese Rohprodukte bringen sie dann wieder nach Liverpool,
auf dass der Kreislauf von vorn beginnt.
In seinen freien Stunden bereichert der Kapitän mit der Komposition von
Chorälen die heilige Liturgie. Heute abend allein in seiner Kajüte,
beginnt er einen neuen Choral und wartet dabei auf den Sklavenkonvoi, der sich
verspätet hat, weil ein paar Neger sich unterwegs mit Schlammfressen umbringen
wollten. Den Titel hat er schon. Der Choral soll Wie süß klingt Jesu
Name heißen. Die ersten Verse entstehen, und der Kapitän summt mögliche
Melodien unter der wissend schaukelnden Lampe.
aus: Eduardo Galeano, Erinnerung
an das Feuer