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1553, UFER DES RIO SAN PEDRO
Miguel
Jetzt war genug Haut von
ihm an Peitschen kleben geblieben. Mal beschuldigte man ihn, unlustig zu arbeiten,
mal sollte er ein Werkzeug verloren haben, und jedes Mal hatte der Verwalter
entschieden: - Soll er 5 mit seinem Leib abzahlen! Als sie ihn schon wieder
einmal zu einer Auspeitschung anschnallen wollten, riss Miguel ein Schwert an
sich und verschwand im Wald. Nach ihm flohen weitere Sklaven aus den Gruben
von Buria. Einige Indios schlossen sich den entlaufenen Negern an. So kam das
kleine Heer zustande, das letztes Jahr das Bergwerk überfiel und die frischgegründete
Stadt Barquisimeto angriff.
Danach zogen sich die Aufständischen tief in die Berge zurück und
gründeten fern von allem am Flussufer ihr freies Reich. Die Jirajara-Indianer
malten sich von Kopf bis Fuß schwarz an und riefen zusammen mit den Afrikanern
den Neger Miguel zu ihrem Monarchen aus.
Königin Guiomar lustwandelt prunkbeladen unter Palmen. Ihr üppiger
Brokatrock knistert. Zwei Pagen halten ihre seidenen Mantelenden.
Miguel auf seinem Holzthron lässt Schützengräben ausheben, Palisaden
errichten, ernennt Offiziere und Minister und macht den weisesten seiner Männer
zum Bischof. Der Kronprinz spielt zu seinen Füßen mit Kieselsteinen.
- Mein Reich ist rund, und klar sind seine Gewässer, sagt Miguel und lässt
sich von einem Höfling die Halskrause zurechtzupfen und von einem anderen
die Ärmel seiner Atlasunterjacke glatt ziehen.
Unterdessen wird in Tocuyo unter Diego de Losadas Kommando die Truppe aufgestellt,
die Miguel erschlagen und sein Reich vernichten soll. Die Spanier werden mit
Musketen, Hunden und Armbrüsten kommen. Wer von den Negern und Indianern
überlebt, wird als abschreckendes Beispiel für ganz Venezuela seine
Ohren, Hoden oder Achillessehnen einbüßen.
aus: Eduardo Galeano, Erinnerung
an das Feuer