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Spinn- und Webmaschinen

Das Anwachsen der Bevölkerung und damit der größere Bedarf an Textilien regte schon vor dem 18. Jahrhundert Erfinder und Techniker dazu an, Maschinen zu erfinden, die diese Nachfrage befriedigen konnten. Das Spinnen der Fäden, die dann zu Tuchen verwoben wurden, wurde lange Zeit mit Handspindeln erledigt. Zuerst wurden Spinnerinnen in Manufakturen zusammengefasst, aber auch diese Konzentration der Arbeitskräfte konnte den gestiegenen Bedarf nur unzureichend decken.
1764 wurde von Hargreaves die erste Spinnmaschine erfunden, die er nach seiner Tochter "Spinning Jenny" nannte. Diese Maschine wurde noch von Hand mit einer Kurbel angetrieben, konnte aber bereits 8 Fäden gleichzeitig in kürzerer Zeit spinnen, als dies eine Spinnerin vermocht hätte.
Richard Awkright erfand dann 1769 die "Water Frame", eine erheblich bessere Spinnmaschine, die noch dazu von Wasserkraft angetrieben wurde.
Wenn schon mit Einrichtung der Spinnmanufakturen absehbar wurde, dass sich das Wesen der handwerklichen Arbeit erheblich ändern würde, mit der Erfindung der "Water Frame" war der erste wirkliche Schritt in Richtung der Industrialisierung getan. Da die "Water Frame" dort aufgebaut werden musste, wo Wasserkraft zur Verfügung stand, mussten Arbeiter und Arbeiterinnen zur Maschine kommen, anstatt die Arbeit in Heimarbeit erledigen zu können.
Außerdem war es mit den Spinnmaschinen erstmals möglich, die relativ kurzen Baumwollfasern in großem Stil verarbeiten zu können, was zu einem ungeheuren Anstieg der Baumwollproduktion führte.
Durch die guten Gewinnaussichten gaben viele Bauern die Landwirtschaft ganz auf und zogen in die Städte, in denen die Spinnereien standen.
Mit der Erfindung einer noch besseren Maschine im Jahr 1778 durch Samuel Crompton, der "Mule", war das Schicksal der Handspinnerei endgültig besiegelt. Die Maschine produzierte mit bis zu 50 Spindeln das 200-fache einer Handspindel und das 30-fache eines Tretspinnrades. Gegen diese Konkurrenz kamen Handspinnerinnen nicht mehr an.
Gleichzeitig aber wurde jetzt der Bedarf an Garn mit weniger ArbeiterInnen gedeckt, so dass es zur ersten großen Arbeitslosigkeit der Geschichte kam, in der durch Rationalisierung ein ganzer Handwerkszweig in seiner alten Form überflüssig wurde.
Einen weiteren Schritt nach vorne machte die Textilherstellung 1804 mit der Erfindung des mechanischen Webstuhls durch den Landpfarrer Cartwright. Bis zu diesem Zeitpunkt mussten die maschinell hergestellten Fäden immer noch von Hand zu Tuchen verwebt werden. Ab jetzt wurden auch hier ArbeiterInnen durch Maschinen ersetzt.
Mit immer größeren und immer schnelleren Schritten ging es jetzt vorwärts - sehr vorteilhaft für die Besitzer der Maschinen, sehr nachteilig für die wachsende Zahl der IndustriearbeiterInnen, die nicht selten an 6 Tagen in der Wochen bis zu 16 Stunden täglich arbeiten mussten, und niemals wussten, ob die nächste, noch bessere Maschine sie nicht arbeitslos machen und in das Armenhaus bringen würde. Zu dieser Zeit gab es weder Gewerkschaften, noch Sozialgesetzgebungen.
Mit Beginn des 19. Jahrhunderts wurden mehr und mehr dieser Maschinen von Dampfmaschinen angetrieben und neben der größeren Effizienz der Maschinen ergab sich daraus ein Druck auf viele andere Wirtschaftsgebiete.
- Die Dampfmaschinen brauchten ständige Feuerung. Zuerst wurde dafür Holz und Holzkohle verwendet, aber binnen kurzer Zeit wurde auf die bis dahin kaum ausgebeuteten englischen Kohlelagerstätten zurückgegriffen, und in vielen Gegenden Englands entstanden ausgedehnte Bergbaugebiete.
- Die ersten noch aus Holz hergestellten Maschinen, hielten der größeren Kraft von Wasser- und schließlich Dampfkraft nicht mehr stand. Daher mussten Maschinen aus Metall entwickelt werden, was seinerseits zum Abbau der englischen und außerenglischen Eisenlagerstätten führte und gleichzeitig zur Erforschung besserer Eisen- und Stahlsorten.
Da die Teile dieser Maschinen aber nicht mehr wie hölzerne Bauteile von Hand gefertigt werden konnten, musste auch eine Eisenbearbeitungsindustrie ins Leben gerufen werden.
- Schließlich konnten die Maschinen, die ursprünglich entwickelt worden waren, um die höhere Nachfrage nach Textilien zu decken, mehr produzieren, als gebraucht wurde. Dadurch mussten, wenn der Preis der Stoffe nicht ins Bodenlose fallen sollte, neue Absatzmärkte entdeckt werden.
- Hierdurch, aber auch durch den gestiegenen Bedarf an Wolle, Flachs, Seide und Baumwolle als Textilrohstoff musste die englische Marine vergrößert werden.
So wurde durch die Erfindung einer Maschine und in Kombination mit der neuen Antriebstechnik der Dampfkraft das gesamte fein abgestimmte Netz englischer Produktion in wenigen Jahren völlig verändert.
Auf der anderen Seite der ratternden Webstühle und qualmenden Fabriken lebten die ArbeiterInnen, die durch die Rationalisierung ihre Arbeit verloren hatten, und die afrikanischen Sklaven die zur Arbeit gezwungen wurden, um den beständig wachsenden Bedarf an Baumwolle zu decken.