Hinweise für AnleiterInnen

Wir gehen davon aus, dass Colony in der Bildungsarbeit oft von Fachkräften eingesetzt werden wird, die bereits Erfahrung mit dem Einsatz von Spielen in der Arbeit gesammelt haben.
Allerdings ist Colony so aufgebaut worden, dass auch Fachkräfte, die relativ wenig Erfahrung mit dem Einsatz didaktischer Spiele haben, das Spiel einsetzen können. Für diese folgt hier ein kurzer Abschnitt, der sich generell mit dem Einsatz von Spielen in der Bildungsarbeit beschäftigt. Daran anschließend folgt ein Abschnitt, der gezielt auf den Einsatz von Colony eingeht.


Didaktische Spiele in der Bildungsarbeit

Die entwicklungspolitische Bildungsarbeit ist praktisch schon seit Jahrzehnten ein Arbeitsbereich der Bildung, in dem viele didaktische Spiele entwickelt und mit guten Erfolg eingesetzt wurden.
Der Grund hierfür ist, dass Spiele anderen Methoden und Medien der Bildungsarbeit gegenüber wesentliche Vorteile besitzen:

- Spiele ermöglichen einen emotional geprägten Zugang zur behandelten Thematik. Während kognitiv geprägte Methoden, wie beispielsweise Referate oder der schulische Unterricht nahezu ausschließlich auf die Vermittlung von Informationen ausgerichtet sind; auf die Vermittlung von Fakten, leben (didaktische) Spiele davon, dass die SpielerInnen eine emotionale Beziehung zum Inhalt des Spiels aufbauen. Sie erleben im Spiel Freude, Schadenfreude, Wut, Verlustängste, Bedrängung, und nicht zuletzt Spaß. Die SpielerInnen erleben, welche Schwierigkeiten es macht, mit anderen Kompromisse einzugehen, sie lernen, Utopien zu entwerfen und zu realisieren, und sie lernen, allein, oder gemeinsam mit anderen, Problemlösungen zu entwickeln.
Damit sind die SpielerInnen aktiv am Lernprozess beteiligt, anstatt, wie bei den meisten anderen Lernmethoden und
-medien nur passiv Aufnehmende zu sein..
Wesentlich wichtiger im Zusammenhang mit der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit ist allerdings, dass so durch das Spiel Empathie gefördert werden kann, die für den weiteren erfolgreichen Bildungsprozess eine wichtige Voraussetzung ist.
Dieses Potential didaktischer Spiele ist uns besonders wichtig, wenn wir mit Jugendlichen zu den Themen Asyl, Leben in der "Dritten Welt" und zu fast allen Aspekten interkultureller Konflikte arbeiten. Keines dieser Themen kann unserer Ansicht nach mit Methoden bearbeitet werden, die die emotionale Seite der TeilnehmerInnen außer acht lassen.

- Spiele können dadurch, dass sie modellhaft arbeiten, komplexe und schwierige Themen begreifbar machen. Unserer Ansicht nach ist dies besonders wichtig, wenn den TeilnehmerInnen vermittelt werden soll, wie beispielsweise Welthandel funktioniert, welche Gesetzmäßigkeiten und Abhängigkeiten bestehen, und warum es so schwierig ist, eine gerechte Weltwirtschaftsordnung aufzubauen. Im Spiel kann sehr schnell verstanden werden, wie zum Beispiel Warentermingeschäfte ablaufen, oder warum an Bananen nicht die Erzeuger den größten Anteil verdienen. Dieses "Verstehen" geht unserer Ansicht nach ebenfalls über das Verstehen hinaus, das durch die Vermittlung der reinen Fakten erreicht werden kann.
Dabei ist es noch nicht einmal notwendig, auf einer strikt realen Grundlage zu arbeiten; eines der besten Spiele zum Thema Welthandel/Weltpolitik überhaupt, das "Spiel der Großen im Kleinen", arbeitet auf einer sehr abstrakten Ebene und erreicht trotzdem bei den SpielerInnen einen sehr hohen Grad von Verständnis für das Thema.

- Grundsätzlich sind Spiele für die Vermittlung von Fakteninformationen sehr schlecht geeignet. Jede Fakteninformation bremst in der Regel den Spielablauf.
Man kann sich das relativ schnell deutlich machen, wenn man sich ein Spiel zum Kupferbergbau und -export vorstellt:
Ein Brett- oder Planspiel kann sehr gut vermitteln, wie Kupfer abgebaut wird, welche Gewinne die Bergbaugesellschaft macht, welchen Einfluss die Börse auf die Produktions- und Verkaufspreise hat und andere Aspekte mehr.
Sobald man allerdings beginnt, dieses Planspielkonzept mit Fakteninformationen zu füllen, wie etwa Abbaugebiete in Chile, die Namen der Betreibergesellschaften, die politische Situation in Chile, die realen Kosten und Gewinne in Dollar und ähnliches, kommen Fakten ins Spiel, die mit dem eigentlichen Spielablauf nichts zu tun haben und daher die SpielerInnen nur hindern, das zu tun, was man von ihnen möchte: zu spielen.
Dieser scheinbare Nachteil des Mediums Spiel ist aber einer der größten Vorteile.
Denn was didaktische Spiele können, ist, den SpielerInnen Strukturen, Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zu vermitteln. In dieser Hinsicht sind Spiele unübertroffen.
Denn das, was wir im Gegensatz zu Fakteninformationen Systeminformationen nennen, hilft den SpielerInnen, ein Ordnungssystem, oder, wenn man so will, einen Setzkasten, aufzubauen, in das später alle Fakteninformationen eingeordnet werden können.

Es gibt allerdings auf der Gegenseite sehr viele Gründe dafür, warum es nicht so einfach ist, didaktische Spiele in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit einzusetzen:

- Durch die Einbeziehung der emotionalen Seite der SpielerInnen kommt eine Komponente in die Informationsvermittlung, mit der man als Bildner mit kognitiv geprägten Methoden kaum etwas zu tun hat, und daher auch kaum Reaktionsmöglichkeiten besitzt. Gerade in einem Spiel, das Betroffenheit und einen gefühlsmäßigen Bezug der SpielerInnen zum Thema erreichen soll, ist es aber notwendig, auch die Gefühle der SpielerInnen in die Nacharbeit einzubeziehen.

- Im Gegensatz zu kognitiv geprägten Methoden ist in der Arbeit mit didaktischen Spielen oft keine "Lernzielkontrolle" möglich. Fakten-Informationen lassen sich ohne weiteres mit Tests abfragen; es ist aber kaum möglich, zu beurteilen, ob eine Gruppe "gut" gespielt hat.
Zwar kann die AnleiterIn nach dem Einsatz eines didaktischen Spiels oft sicher sein, dass die SpielerInnen etwas gelernt und verstanden haben, nachprüfen kann sie dies aber kaum.
Zwar könnte sie auch eine Lernzielkontrolle mittels eines Tests durchführen, nur wird ein "schulischer" Test nicht alle Erfahrungsebenen, die durch ein Spiel ermöglicht werden, abfragen können.

- Gerade durch den Modellcharakter eines didaktischen Spiels kann etwas über das System, die generellen Abläufe im globalen Miteinander gelernt werden. Auf der anderen Seite macht aber diese Abstraktion vieler didaktische Spiele eine gute und fundierte Auswertung, die das im Spiel erlebte für die SpielerInnen auf die Realität übertragbar macht, absolut notwendig. Diese Auswertung ist ein notwendiger Bestandteil jedes didaktischen Spiels und kann oft sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen und intensiver sein, als das Spiel selbst.

- Der oben beschriebene Vorteil des Mediums Spiel, Systeminformationen zu vermitteln ist eine weitere Notwendigkeit, didaktische Spiele niemals ohne Nachbereitung durchzuführen. So sinnvoll das Erkennen von Strukturen und Abhängigkeiten ist, wenn die AnleiterIn diese erkannten Strukturen und Wechselwirkungen nicht nach dem Spiel mit der Realität in Verbindung bringen kann, gehen wesentliche Teile des Lernprozesses verloren.

- Nicht zuletzt hat das Spiel, trotz seiner immensen Potentiale in der Bildungsarbeit, mit dem Problem zu kämpfen, dass viele Jugendliche nicht "spielen" wollen. Zwar sind die jugendlichen TeilnehmerInnen im Nachhinein immer begeistert von der Methode des didaktischen Spiels, in der Vorbereitung allerdings sind in der Animation oft große Hürden zu nehmen.

Aus diesen Punkten ergibt sich, dass die AnleiterIn eines didaktischen Spiels nicht nur die Methode des Spiels beherrschen muss, wenn sie didaktische Spiele in der Bildungsarbeit erfolgreich einsetzen will, sie muss außerdem bereit und fähig sein mit den, mitunter sehr negativen, Gefühlen der SpielerInnen umgehen zu können, sie muss trotz einem immer wieder anderen Spielablauf in der Lage sein, die Spielergebnisse auf die Realität übertragbar zu machen, und sie muss Möglichkeiten kennen und nutzen, die Hemmungen der TeilnehmerInnen, zu spielen, zu überwinden.
Wir gehen davon aus, dass diese Anforderungen in vielen Fällen der Grund dafür sind, dass nicht sehr viel häufiger Spiele in der Bildungsarbeit eingesetzt werden.

Allerdings gibt es, bezogen auf jeden der obengenannten Punkte, erhebliche Unterschiede bei verschiedenen Spielformen:
Rollen- und Diskussionsspiele erfordern von den SpielerInnen die Identifikation mit der Spielrolle und das entsprechende Agieren aus dieser Rolle heraus. Für die Spielleitung ist es mitunter schwierig, zu definieren wo die Grenze zwischen Identifikation und den persönlichen Anteilen der SpielerInnen liegt. Die betrifft auch Konflikte zwischen den SpielerInnen, da hier oft nicht genau unterschieden werden kann zwischen den vom Spiel vorgegebenen Konflikten und denen zwischen den SpielerInnen, die mit dm Spiel selbst überhaupt nichts zu tun haben.
Darüber hinaus können in diesen Spielkonzepten nur sehr bedingt Informationen vermittelt werden.
Aus diesen Gründen und dadurch dass diese Spiele oft die SpielerInnen emotional stark in den Spielablauf einbeziehen, sind Rollen- und Diskussionsspiele nicht immer einfach einzusetzen und stellen hohe Anorderungen an die Spielleitung.
Planspiele sind im Grunde Rollenspiele mit einem höheren Anteil an Informationen und einer detaillierteren Definition der Spielrollen. Vorbereitung und Durchführung von Planspielen bedeuten oft einen großen Aufwand für die Spielleitung und auch wenn die emotionale Beteiligung der SpielerInnen am Spiel nicht so hoch ist, wie beispielsweise bei Rollenspiel, stellen Planspiele trotzdem relativ hohe Anforderungen an die Spielleitung:
Brettspiele finden, wie der Name schon sagt, auf dem eng begrenzten Raum eines Spielbretts statt und die Persönlichkeiten und Aktionen der SpielerInnen sind auf Spielfiguren reduziert.
Dadurch ist die emotionale Beteiligung der SpielerInnen sehr gering, aber durch Spielkarten und andere Spielmaterialien können im Vergleich zu anderen Spielformen neben den Systeminformationen sehr viele Fakteninformationen vermittelt werden.

Wir haben für Colony die Form eines Brettspiels gewählt, bei dem die Anteile von Rollen- und Planspiel relativ gering sind. Dadurch sind die Anforderungen an die Spielleitung nicht sehr groß, und auch im Einsatz didaktischer Spiele weniger erfahrene Fachkräfte können das Spiel problemlos einsetzen.
Auf der anderen Seite sind die im Spiel vermittelten Informationen sehr vielfältig und es werden leicht Bezüge zwischen Spiel und Realität hergestellt werden können.

Einsatz von Colony

Colony ist für den Einsatz in der Bildungsarbeit konzipiert und dafür ist es unseres Erachtens notwendig, dass sich die Spielleitung, mit dem Thema auseinander setzt, um den SpielerInnen die Parallelen zwischen Spiel und Realität deutlich machen zu können. Wir hoffen, dass die beiliegende CD-Rom hierfür eine gute Hilfe ist.

Colony kann in zwei Versionen gespielt werden:
- Die komplexe Version benötigt alles Spielmaterial und gibt einen Überblick über wesentliche Aspekte des Kolonialismus. Die Spieldauer liegt bei mindestens 6 Stunden ohne Nachbereitung. Das Spiel ist so konzipiert, dass es unterteilt in 6 Phasen von jeweils 1-1,5 Stunden gespielt werden kann.
- Die vereinfachte Version benötigt nur einen Teil des Spielmaterials und gibt eher einen Einblick in Ablauf und Struktur der Kolonisierung. Bei der vereinfachten Version handelt es sich um ein Entscheidungsspiel, bei dem die SpielerInnen sich für jeweils zwei oder drei von der Spielleitung zur Auswahl gestellte Alternativen entscheiden müssen.
Die vereinfachte Version hat eine Spieldauer von etwa einer Stunde ohne Nachbereitung und setzt eine Spielleitung voraus, die nicht am Spiel teilnimmt. Die Spielanleitung der vereinfachten Version findet sich in der deutschen Ausgabe des Spiels auf der CD-Rom und kann für den Einsatz ausgedruckt werden.

Die folgenden Erläuterungen zum Einsatz von Colony beziehen sich auf den Einsatz der komplexen Version - Bezüge zur vereinfachten Version sind besonders gekennzeichnet.

Die vereinfachte Version kann entsprechend des Zeitbedarfs in einer Einheit durchgespielt und ausgewertet werden.
Die komplexe Version kann, wie oben schon gesagt, in mehreren Einheiten von jeweils etwa 1,5 Stunden gespielt werden.
Wenn der Einsatzrahmen es erlaubt, ist es unserer Erfahrung nach auf jeden Fall sinnvoll, das Spiel komplett durchzuspielen, oder in zwei Einheiten. Insbesondere ist diese Einsatzform sinnvoll, wenn, etwa in einer Projektwoche, an das Spiel weiterführende Arbeiten angeschlossen werden können - beispielsweise die Recherche der SpielerInnen über ehemalige Kolonien, über Produkte aus den Kolonien, über Handelsgesellschaften oder Ähnliches.

Jede der beiden Versionen kann mit 3 bis 6 SpielerInnen gespielt werden. Wenn mit größeren Gruppen gespielt werden soll, gibt es natürlich die Möglichkeit, dass mehrere Spielgruppen nacheinander oder mit mehreren Spielen parallel spielen.
Ein sehr beeindruckendes Spiel entsteht aber auch, wenn die Kolonialmächte nicht von Einzelpersonen übernommen werden, sondern wenn jede Spielpartei aus zwei oder mehr SpielerInnen besteht.
Der Vorteil eines solchen Einsatzes besteht darin, dass sich die "Kolonialregierungen" ständig über ihr weiteres Vorgehen einigen müssen - in der Regel sind die Meinungen darüber sehr unterschiedlich. Daraus ergibt sich oft bereits während des Spiels eine intensive Diskussion über den Kolonialismus und die Eroberung anderer Länder, die wertvolle Impulse und Anknüpfungspunkte für die Nachbereitung geben wird.
Ein wesentlicher Nachteil dieser Einsatzform ist aber, dass das Spiel erheblich länger braucht. Wie viel Zeit benötigt wird, hängt natürlich von den unterschiedlichen Meinungen und Absichten jeder Spielgruppe ab, sowie ihrer Diskussionsfreudigkeit, aber man sollte schon mit einem Minimum von 8 Stunden Spielzeit rechnen.

Auf die vereinfachte Version trifft dies nicht im gleichen Maß zu, da die Spielgruppen sich nur auf die Wahl einer von zwei oder drei Entscheidungsmöglichkeiten einigen müssen.
Der Zeitbedarf liegt etwa bei 1,5 Stunden.

Vor dem Spiel
Neben der thematischen Einarbeitung sollte die Spielleitung sich vor Beginn des Einsatzes mit dem Spiel, das heißt den grundlegenden Spielregeln und dem Spielablauf vertraut machen. Auch hierfür bietet die CD-Rom mit Beispielen sehr viele Hinweise für besondere Spielsituationen.
Colony kann für die Bearbeitung des Themas Kolonialismus und Weltwirtschaft ein sehr effektives Werkzeug sein, das für die SpielerInnen neben den Lernerfahrungen auch spannend sein wird.
Wie auch einen Hammer, einen Küchenmixer oder einen Spaten sollte man aber das Werkzeug beherrschen, um gute Arbeitsergebnisse zu erhalten.
Es empfiehlt sich daher, das Spiel vor dem ersten Einsatz in Schule oder außerschulischer Bildungsarbeit mit Freunden und Bekannten zu spielen, um den Spielablauf, die Spielregeln und die Aktionsmöglichkeiten der SpielerInnen praktisch kennen zu lernen.
Unseren Erfahrungen in Testeinsätzen nach haben Jugendliche sehr wenig Schwierigkeiten mit dem Spielablauf von Colony, allerdings kann eine Spielunterbrechung, in der die Spielleitung die Antwort auf eine strittige Frage erst in der Spielanleitung suchen muss, die Motivation erheblich bremsen.
SpielerInnen, die das erste Mal Colony spielen, sind zuerst besonders bei folgenden Punkten unsicher:
- Auswahl der Aktionskarten
- Auswürfeln neuer Rohstoffe entsprechend der Spielphase
- Abwicklung von Kolonialkriegen und Aufständen.
Daher sollte die Spielleitung in diesen Punkten sicher sein.

Für den Einsatz der vereinfachten Version von Colony braucht sich die Spielleitung nicht besonders vorzubereiten, da sich das gesamte Spiel praktisch aus Spielanleitung und
-anweisungen ergibt.

Während des Spiels
Nachdem sichergestellt ist, dass alle SpielerInnen die grundsätzlichen Regeln verstanden haben, wird Colony praktisch von alleine laufen. Unterbrechungen im Spielfluss sollte es nur zu Beginn jeder neuen Spielphase geben, wenn die Spielleitung zusätzliche Spielregeln erklärt, oder wenn aus einem besonderen Spielereignis eine Diskussion unter den SpielerInnen entsteht.
Jede andere Spielunterbrechung sollte nach Möglichkeit so kurz wie möglich gehalten werden.
Ein wesentlicher Punkt, der immer wieder zu Spielunterbrechungen führen kann, ist das Auswählen der Aktionskarten vor jeder neuen Runde. Es wird immer wieder vorkommen, das SpielerInnen ihre Aktionskarten sehr langwierig auswählen und damit auch erst bis zum Ende der laufenden Runde warten. Es lohnt sich hier auf jeden Fall darauf hinzuweisen, dass jede SpielerIn ihre Aktionskarten für die nächste Runde praktisch schon auswählen kann, sobald sie ihren Zug beendet hat. Wobei es immer wieder vorkommen kann, insbesondere ab Phase 3, dass aus strategischen Gründen erst zum Beginn der neuen Runde endgültig eine Auswahl getroffen wird.
Ein weiterer Punkt, der zu Verzögerungen führt, ist auch das Austeilen der Ereigniskarten vor jeder neuen Spielphase. Sinnvollerweise sollten die benötigten Ereigniskarten bereitliegen und direkt ausgeteilt werden können.
Unterbrechungen können sich auch, wie schon oben erwähnt, durch Diskussionen zwischen den SpielerInnen ergeben. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden einige Ereigniskarten zu Gesprächen führen. Grundsätzlich sollte die Spielleitung diese Diskussionen zulassen, wenn sie ein Teil des Austausches über die Inhalte des Spiels sind.

Die vereinfachte Version des Spiels ist auch in dieser Hinsicht einfach zu handhaben, und es
wird kaum zu einer der für die komplexe Version erwähnten Verzögerungen kommen.
Allerdings können auch in dieser Version Diskussionen zwischen den SpielerInnen entstehen, denen Raum gelassen werden sollte.

Nach dem Spiel
Die Geschichte der Eroberung und Kolonisierung fremder Länder und Kontinente ist überaus komplex und sehr vielfältig. Entsprechend kann Colony nur einen kleinen Ausschnitt aus der Geschichte wiedergeben. Wir haben uns bemüht, ein möglichst breites Spektrum an Informationen über den Kolonialismus der letzten fünf Jahrhunderte in das Spiel einzubeziehen. Dennoch sollte Colony nur als Einstieg in die Thematik benutzt werden, nicht als alleiniges Medium.

Unserer Einschätzung und Erfahrung nach ergeben sich mehrere Möglichkeiten, die komplexe Version von Colony in der Bildungsarbeit einzusetzen. Welche dieser Möglichkeiten gewählt wird, hängt in erster Linie vom Einsatzrahmen ab:
- Im schulischen Unterricht kann das Spiel phasenweise in jeweils einer Doppelstunde gespielt werden. SchülerInnen und LehrerInnen können entweder nach dem Spielen einer Phase den Spielablauf und die entsprechenden historischen Ereignisse reflektieren, oder dies im Anschluss an das gesamte Spiel tun.
- In schulischen Projekttagen oder Projektwochen, sowie in der außerschulischen Bildungsarbeit bietet es sich an, das Spiel komplett durchzuspielen und die Nachbereitung anzuschließend durchzuführen. Für die beiden letzten Fälle können dann zum Beispiel in Gruppenarbeit Recherchen zu bestimmten Aspekten des Themas erstellt werden.

Grundsätzlich ist das Spiel ähnlich aufgebaut, wie die abendländische Geschichtsschreibung die letzten Jahrhunderte häufig darstellt: als grandioses Abenteurer und die Möglichkeit schnell zu viel Geld zu kommen.
SpielleiterInnen sollten damit rechnen, dass die SpielerInnen die ersten Phasen von Colony wie ein Gesellschaftsspiel spielen. Ein Austausch und ein Nachdenken über die Rolle der europäischen Nationen werden wahrscheinlich erst im weiteren Verlauf des Spiels entstehen.
Die Texte der CD-Rom und die Ereigniskarten, zeigen in vieler Hinsicht die andere, wenig dokumentierte Seite der Geschichte und die Sicht der Opfer des Kolonialismus.

Für die Nachbereitung, unabhängig von einem phasenweisen oder kompletten Spiel, sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:
- Da Colony das komplexe Thema Kolonialismus in vielen Aspekten generalisierend darstellen muss, sollten in der Nacharbeit auf jeden Fall Bezüge zwischen Spiel und Realität hergestellt werden. Die Hintergrundinformationen auf der CD-Rom werden hierfür eine Fülle von Material bieten, aber nur relativ wenige Daten entsprechend der traditionellen abendländischen Geschichtsschreibung. Je nach Einsatzrahmen sollte die Spielleitung daher überlegen, welche zusätzlichen Informationen sinnvoll sein können etwa ausgewählte Materialien zum Kolonialismus in Afrika, zu Kolonialkriegen, oder zu bestimmten Rohstoffen.
- Prinzipiell könnte die Spielleitung schon vor Beginn des Spiels alle Texte der CD-Rom für die Nachbereitung ausdrucken.
Erfahrungsgemäß ist es aber so, dass nicht alle Ereignisse während des Spielablaufs zu intensiven Diskussionen unter den SpielerInnen führen. Die Spielleitung sollte daher den Spielablauf in Stichworten dokumentieren, sowie die Nummern der Ereigniskarten, die als besonders wichtig empfunden wurden.
Anhand dieser Notizen können dann gezielt Texte der CD-Rom ausgedruckt, oder nach anderen Materialien gesucht werden. So kann mit der Nacharbeit an Punkten angesetzt werden, die bei den SpielerInnen einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.
- Es wird vorkommen, dass die SpielerInnen mit viel Engagement Eroberung, Unterdrückung und Imperialismus spielen. Dies sollte nicht vorschnell so verstanden werden, dass die SpielerInnen kolonialistische und/oder rassistische Denkweisen einüben. Unserer Erfahrung nach handelt es sich vielmehr um eine Projektion dessen, wie sich die realen Eroberer verhalten haben.
- Grundsätzlich ist wird es in vielen Spielgruppen vorkommen, dass die SpielerInnen Colony wie ein Gesellschaftsspiel beginnen, aber im Verlauf des Spiels feststellen, dass die Nähe ihrer Aktionen zur Realität viel zu eng ist.
Häufig ist das Erschrecken über das eigene Handeln bei den SpielerInnen im Nachhinein sehr groß; eventuell sogar so groß, dass einige SpielerInnen sich weigern, weiterzuspielen, oder sich, spielimmanent, als Kolonialmacht aus den Kolonien zurückziehen.
Hier könnte unter anderem der Bogen geschlagen werden zu ähnlichen Denk- und Verhaltensweisen, die auch heute noch unsere Gesellschaft prägen, und natürlich zu unserem Konsumverhalten.

Die obengenannte Generalisierung betrifft auch einige Begrifflichkeiten im Spiel. In der Nachbereitung sollten diese Begriffe genauer betrachtet werden.
Zum Beispiel der Begriff "Kolonialmächte". Im Spiel ist fast durchgängig von "europäischen Kolonialmächten" die Rede. Es sollte zum Beispiel daran gedacht werden, dass spätestens ab dem 19. Jahrhundert auch die Vereinigten Staaten zu den Kolonialmächten gezählt werden müssen, auch wenn im Spiel immer nur von "europäischen" Mächten die Rede ist.
Auch der Begriff der "Kolonie" sollte diskutiert werden - sind beispielsweise Irland, Gibraltar, Hawaii und Puerto Rico Kolonien, oder nicht?
Im Spiel werden Kolonien unabhängig, wenn sich die SpielerInnen als Kolonialmacht aus dem Land zurückziehen. Dies ist in der Realität in einigen Ländern Afrikas und Asiens der Fall gewesen. Wie verhält es sich aber mit den Ländern Südamerikas, in denen die europäischen Siedler gegen das Mutterland rebelliert haben? Lässt sich die "Unabhängigkeit" Mexikos mit der Indiens gleichsetzen? Oder die Nordamerikas mit der von Kenia?
Was macht heute eine Kolonie aus, oder andersherum: welche Bedingungen muss ein Land erfüllen, um als "unabhängig" zu gelten?
Insbesondere, wenn Colony im Zusammenhang mit aktuellem Welthandel, Globalisierung, fairem Handel und ähnlichen Themen eingesetzt wird, sollte ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, welche Mechanismen es heute gibt, scheinbar souveräne Staaten von unliebsamen Veränderungen abzuhalten und von den ehemaligen Kolonialmächten gewünschte Veränderungen durchzusetzen.
Mögliche Punkte könnten hier sein: militärische Drohung und Invasion, Förderung und Unterstützung von Staatsstreichen, Unterstützung von konterrevolutionären Bewegungen,
Wirtschaftssanktionen, Kreditvergabe der Weltbank unter bestimmten Bedingungen, Zollbestimmungen und ähnliches mehr.
In gleicher generalisierender Weise stellt Colony bei der Unabhängigkeit nur die Staatsformen Diktatur, Monarchie und Demokratie zur Verfügung. Offensichtlich ist das Spektrum aber sehr viel größer und nicht zuletzt gibt es in der Welt auch durchaus konstitutionelle Demokratien, die von einer Diktatur kaum zu unterscheiden sind.

Die hier vorgestellten Hinweise zum Einsatz und zur Auswertung von Colony haben sich aus den Testeinsätzen des Spiels während der vergangenen 5 Jahre ergeben.
Praktisch jedes einzelne Spiel dieser Tests ist anders verlaufen und hat andere Ergebnisse und andere Diskussionen zwischen den SpielerInnen ergeben.
Daher gehen wir nicht davon aus, dass unsere Aufstellung von Hinweisen vollständig ist.
Wir würden uns freuen, wenn uns Einsatzberichte, Kritiken, Erweiterungsvorschläge und andere Zuschriften von SpielerInnen und AnwenderInnen erreichten.
Wir werden uns bemühen, diese ebenfalls unter www.colony-info.de zur Verfügung zu stellen.