Petion
Haiti liegt in Schutt und
Asche, von den Franzosen blockiert, von allen anderen isoliert. Die Unabhängigkeit
der Sklaven, die Napoleon geschlagen haben, wird von keinem Staat der Welt anerkannt.
Die Insel ist zweigeteilt.
Im Norden hat Henri Christophe sieh zum Kaiser ausgerufen. Der neue Negeradel
- Graf von Limonade, Herzog von Marmelade - tanzt in Schloss Sanssouci Menuett,
unter schneeweißen Perücken dienern schwarze Lakaien, und mit Federbaretten
stolzieren schwarze Husaren durch Gärten im Stil von Versailles.
Im Süden ist Alexandre Petion Präsident einer Republik. Mit der Aufteilung
von Land unter ehemaligen Sklaven möchte Petion auf der Asche der im Krieg
zerstörten Plantagen eine Nation armer; aber freier und bewaffneter Bauern
gründen.
An Haitis Südküste landet auch Simon Bolivar in der Hoffnung auf Zuflucht
und Hilfeleistung. Er kommt aus Jamaika, wo er zuletzt sogar seine Uhr verkauft
hat. Niemand glaubt mehr an seine Sache. Seine brillanten Feldzüge waren
nur Hirngespinste. In Cadiz stirbt Francisco de Miranda, an die Zeughausmauer
gekettet, und Spanien hat Venezuela und Kolumbien zurückerobert, die beide
an die Vergangenheit oder noch nicht an die von den Patrioten versprochene Zukunft
glauben.
Petion empfängt Bolivar gleich nach dessen Ankunft, am Neujahrstag. Er
überlässt ihm sieben Schiffe, zweihundertfünfzig Männer
sowie Büchsen, Pulver, Verpflegung und Geld und stellt dafür nur eine
Bedingung. Petion, der - Sohn einer Negerin und eines Franzosen - bei seiner
Geburt noch Sklave war, verlangt, dass Bolivar in den Gebieten, die er befreit,
die Sklaven freilässt.
Bolivar verspricht es ihm in die Hand. Der Krieg steuert von da an einen anderen
Kurs. Und Amerika vielleicht auch.
aus: Eduardo Galeano, Erinnerung an das Feuer